Ohne Poleposition zum bravourösen Sieg

Überwältigende Mehrheit bestimmte François Fillon zum rechten Präsidentschaftskandidaten in Frankreich

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

François Fillon ist Kandidat und Favorit für die Präsidentschaftswahl im April 2016. Eine überwältigende Zwei-Drittel-Mehrheit stimmte am Sonntag in der zweiten und entscheidenden Runde der Vorwahlen der Rechten und des Zentrums für den Regierungschef der Jahre 2007 bis 2012 unter Präsident Nicolas Sarkozy. Damit setzte sich Fillon erwartungsgemäß gegen Alain Juppé durch, der 1995 bis 1997 ebenfalls Premierminister war und der monatelang als aussichtsreichster Anwärter galt.

Doch Fillon, der mit etwa zehn Prozent der Wahlaussichten gestartet war, konnte innerhalb von drei bis vier Wochen in einem beispiellosen Endspurt an ihm vorbeiziehen und sich souverän an die Spitze setzen. Wie Fillon selbst immer wieder erklärte, hatte er in den vergangenen drei Jahren viele Städte und Dörfer des Landes besucht und sich mit Franzosen aus den verschiedensten Schichten und Berufen über ihre Sorgen und Wünsche unterhalten, um sich so auf sein Vorhaben vorzubereiten, die Präsidentschaftskandidatur anzustreben. Auf der Grundlage der dabei gesammelten Eindrücke und Anregungen habe er sein Programm ausgearbeitet, so Fillon.

Sein Plan ist knallhart: Die wichtigsten Reformen will er innerhalb der ersten sechs Monate per Dekret, also unter Umgehung des Parlaments, durchsetzen. Um die Lage des Landes spürbar zu verbessern, schreckt er nicht vor einschneidenden und für viele Franzosen schmerzhaften Maßnahmen zurück - und spricht das auch offen aus. Er ist sich aber sicher, dass ihn die Mehrheit der Franzosen versteht und unterstützt. So will er beispielsweise in fünf Jahren die Erwerbslosigkeit halbieren. Offenbar denkt er sogar schon an eine zweite Amtszeit als Präsident, denn er hat sich das Langzeitziel gesteckt, Frankreich in zehn Jahren zum »stärksten Land Europas« zu machen.

Diese Vorwahl, die die Rechte und das Zentrum erstmals durchgeführt haben und für die sie sich vom Beispiel der Sozialisten 2011 inspirieren ließen, ist nicht nur eine Entscheidung für ihren Kandidaten zur Präsidentschaftswahl im April 2017, sondern auch schon eine Vorentscheidung für den voraussichtlichen Ausgang dieser Wahl.

Fillon hat beste Chancen, Präsident zu werden, zumal die Linke rettungslos zersplittert ist. Somit dürften deren diverse Kandidaten auch weit hinter die Kandidatin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, zurückfallen. So zeichnet sich für den zweiten Wahlgang heute schon ein Duell Fillon - Le Pen ab. Als es 2002 schon einmal die Konstellation eines rechten Kandidaten, Jacques Chirac, und eines rechtsextremen, Jean-Marie Le Pen, gab, hatten alle linken Parteien ihre Anhänger aufgerufen, »republikanisch« zu wählen. Das hieß, mit dem Votum für das »kleinere Übel« Chirac der Front National den Weg zu verstellen. Doch das dürfte diesmal vielen Linkswählern wesentlich schwerer fallen, weil Fillon weit konservativere Positionen vertritt als seinerzeit Chirac und wegen seiner Grundeinstellungen und seines Programms von vielen sogar als ausgesprochen reaktionär eingeschätzt wird.

Im Ergebnis könnte das dazu führen, dass viele links eingestellte Franzosen lieber der Wahl fernbleiben. Das wird aber möglicherweise ausbalanciert durch eine Verschiebung der Anhängerschaft der Front National. Die rechtsextreme FN steht vor einem Dilemma, denn einerseits sieht sie den demonstrativen Konservatismus von Fillon positiv und stimmt in vielem mit ihm überein, aber gleichzeitig ist er eine Gefahr für Marine Le Pen, weil er ihr nicht wenige Wähler abspenstig machen dürfte, die aus Protest über die Politik der vergangenen Jahre für sie stimmen wollten, sich jetzt aber doch lieber für Fillon entscheiden.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.