Papas Gier
In der TV-Serie »Madoff« spielt Richard Dreyfuss einen berüchtigten Anlagebetrüger
Geld macht nicht satt, so lautet ein kapitalismuskritisches Bonmot, sondern hungrig. Das hat kaum jemand besser verstanden als Bernard L. Madoff, von Freunden nur »Bernie« genannt. Und der Finanzjongleur hatte viele Freunde, die er mit immer mehr und mehr Geld fütterte, so dass alle noch hungriger und hungriger wurden, bis der Koch die Unersättlichen auf Nulldiät setzte und mit ihnen verhungerte, genauer: wegen Anlagebetrugs in Höhe von 50 Milliarden Dollar zu 150 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Wäre die Welt der Börsenhaie und Broker voll halblegaler Optionsgeschäfte und Hedgefonds nicht so schrecklich real - das Fernsehen müsste sie schleunigst erfinden. Doch Bernie Madoff gibt es wirklich, der US-Sender ABC musste ihn nur adäquat besetzen. Und dafür hat der Showrunner Ben Robbins keinen Geringeren aus der Versenkung geholt als Richard Dreyfuss.
Wie zu dessen Glanzzeit Ende der 1980er Jahre, als er mit »Zoff in Beverly Hills« oder »Was ist mit Bob?« zum Prototyp des »All American Dad« avancierte, verleiht der 69-Jährige dem größten Beutelschneider der Finanzgeschichte exakt jene verschmitzt biedere Selbstgefälligkeit, der Bernard Madoff seinen Erfolg verdankte. 1960 vom mittellosen Sohn jüdischer Einwanderer aus Queens zum sagenumwobenen Börsenmakler der Wall Street aufgestiegen, war es Madoffs unscheinbare, fast väterliche Aura, dank der sich 4800 Geschädigte um ihr Kapital oder, weit schlimmer, ihr Erspartes bringen ließen.
»Die Menschen wollen nichts so sehr auf der Welt wie das, was man ihnen verwehrt«, sagt Dreyfuss arglos zu Beginn lächelnd in die Kamera, während er, von Regisseur Raymond De Felitta klug dazwischen geschnitten, scheinbar widerwillig Deal um Deal mit Geld vereinbart, das nur auf dem Papier existiert. Es ist das Zeitalter der frisch geplatzten Dotcom-Blase. Die Skepsis vor riskanten Finanztransaktionen war sogar noch größer als die Jacketts der Finanztransakteure. Nur diesem scheinbar bodenständigen Selfmademillionär nahmen die Leute das Versprechen zweistelliger Rendite ab, während ringsum Zinsflaute herrschte und gescheiterte Banker gleich reihenweise vom Bankenturm sprangen.
So wickelt er sie alle ein: die Reichen und die Armen, versierte Manager ebenso wie leutselige Normalverbraucher. Mit buddhistisch gelassenem Gesichtsausdruck lädt er gleichermaßen zum Familientreffen mit Meerblick und zur Überweisung aberwitziger Summen in ungedeckte Fonds. Es geht stets nur aufwärts - bis ein Konkurrent beim Versuch, das mystische Geschäftsmodell zu kopieren am Ende des ersten von vier Teilen ausspricht, was die letzten drei sehenswert aufarbeiten: Es ist Betrug.
Bernie Madoffs verbissenen Abstiegskampf zu betrachten, ist dabei die helle Freude. Und auch ein bisschen Genugtuung für jene, denen er die Zukunft geraubt hat. Auf der Jagd nach immer mehr Geld, das ihn und andere doch nur immer noch hungriger machte. Stillen wird er diese Gier sobald nicht mehr können: Seine Haft endet im Jahr 2139.
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