Rettungskette mit Lücken
AOK attestiert Krankenhäusern eine mangelhafte Qualität und dringt auf Verbesserungen bei der Notfallversorgung
Berlin. Der AOK-Bundesverband dringt auf eine bessere Qualität der Notfallversorgung von Patienten in Krankenhäusern. Viele Herzinfarkt-Patienten würden nicht optimal versorgt, weil es keine vernünftig organisierte Rettungskette gebe, kritisierte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des »Qualitätsmonitor 2017«.
Nach den Worten von Litsch ist in der Krankenhausplanung eine stärkere Konzentration auf Kliniken mit guter Behandlungsqualität und guter Ausstattung nötig. »Der Rettungswagen sollte nicht das nächste, sondern das am besten geeignete Krankenhaus ansteuern, das den Patienten optimal versorgen kann. Meist würden sich dadurch noch nicht einmal die Transportwege verlängern.« Litsch verlangte einen neuen Anlauf für ein sektorenübergreifendes Konzept zur Notfallversorgung, das die Notaufnahmen der Kliniken, den ärztlichen Bereitschaftsdienst und den Rettungsdienst einbezieht.
Nach dem Qualitätsmonitor des Wissenschaftlichen Instituts der AOK und des Vereins Gesundheitsstadt Berlin verfügten etwa 40 Prozent der Krankenhäuser, die 2014 Herzinfarkte behandelten, nicht über ein Herzkatheterlabor, das für die Versorgung akuter Infarkte der Standard sein sollte. Hochgerechnet bekommen knapp »22 000 Patienten pro Jahr keine optimale Versorgung, obwohl es in Deutschland sicher keinen Mangel an Herzkatheterlaboren gibt«, erklärte Thomas Mansky von der Technischen Universität (TU) Berlin, einer der Autoren des Berichts.
Der Monitor zeige auch strukturelle Mängel bei Brustkrebs-OPs. »So wurden in dem Viertel der Kliniken mit den geringsten Fallzahlen weniger als acht Fälle pro Jahr operiert - und das, obwohl es sich hier um einen planbaren und damit leicht zentralisierbaren Eingriff handelt«, erklärte Mansky. Die Zertifizierungsstelle der Deutschen Krebsgesellschaft fordert eine Mindestzahl von 50 Operationen pro Operateur und Jahr.
Ulf Fink, Vorstandsvorsitzender von Gesundheitsstadt Berlin, verlangte ein Paradigmenwechsel im deutschen Gesundheitssystem zur Steuerung nach Qualität. Viele Jahre habe es immer geheißen: »Wir haben in Deutschland das beste Gesundheitswesen der Welt, aber es ist zu teuer.« Dadurch sei die Kostendämpfung als zentrale Aufgabe der Gesundheitspolitik angesehen worden. Um die Qualität habe man sich demzufolge nicht kümmern müssen. »Dies ist grundfalsch.«
Zahlreiche Studien der letzten Jahre hätten gezeigt: Im Vergleich mit anderen Ländern, die ähnlich viel Geld für ihr Gesundheitswesen ausgeben, stehe Deutschland in vielen Fällen schlechter da. Beim akuten Herzinfarkt habe 2013 die Sterberate von Patienten über 45 Jahren in Deutschland deutlich über der in Schweden gelegen. dpa/nd
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