Unionspolitiker wollen Griechenland Kredite kappen
Grüne: CDU-Forderung ist kein Beitrag zu Ausweg aus der Krise Griechenlands / Beteiligung des Weltwährungsfonds weiter ungeklärt
Berlin. Kurz vor Ende des Jahres könnte die Debatte um die Krisenpolitik gegenüber Griechenland hochkochen. Abgeordnete der Unionsfraktion im Bundestag haben mit einem Ausstieg Deutschlands aus den Krediten für Griechenland gedroht, sollte der Internationale Währungsfonds (IWF) sich nicht am dritten Finanz- und Reformprogramm beteiligen. Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) verwies in der »Bild«-Zeitung am Mittwoch auf die bisherigen Zusagen, wonach der IWF bis spätestens Ende 2016 eine Beteiligung beschließen wolle: »Der IWF muss an Bord. Das ist so vereinbart.«
Der IWF macht Schuldenerleichterungen für Athen als Bedingung für seine Beteiligung. Diese hat Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Schäuble (CDU) während des laufenden Programms abgelehnt. Am Montag beschlossen die Eurofinanzminister eine Reihe von Maßnahmen, die in den kommenden Jahrzehnten Risiken bei Zinssteigerungen verringern sollen und Laufzeiten von Teilen der Schulden verlängern. Über weitergehende Schuldenerleichterungen soll jedoch erst nach Ende des laufenden Kreditprogramms ab Mitte 2018 gesprochen werden.
Ob diese Maßnahmen dem IWF ausreichen, bleibt offen. Die internationale Institution will sich wahrscheinlich erst nächstes Jahr entscheiden, ob sie nun mitmacht. »Die Vereinbarung ist eindeutig. Wenn der IWF sich nicht beteiligt, muss Deutschland aussteigen«, meinte nun der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten (CDU). Hans Michelbach von der CSU kritisierte die »Vertröstungs-Orgie«, die die Abgeordneten »eigentlich nicht länger akzeptieren können«.
Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, kritisierte: »Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Armut ist zum Scheitern verurteilt, wenn Griechenland überambitionierte Sparziele umsetzen muss, die sogar der IWF kritisiert.« Schon heute unterdrücke das Risiko der Überschuldung Investitionen. Das Land werde so nicht wieder auf die Beine kommen, so Giegold. »Die Euro-Gruppe hat nur kosmetische Änderungen beschlossen, die nur die kurzfristige Lage im Blick haben. Das ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.«
Giegold bezeichnete die Forderung einiger CDU-Politiker, aus dem griechischen Hilfsprogramm auszusteigen, sollte der IWF nicht an Bord sein, als kontraproduktiv. Die Forderung sei kein Beitrag zu einem nachhaltigen Ausweg aus der Krise Griechenlands.
Derzeit belaufen sich Athens Schulden auf 180 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. In absoluten Zahlen sind das 315 Milliarden Euro. Zudem leidet das Land aufgrund der von seinen Gläubigern aufgebrummten Spar- und Privatisierungsmaßnahmen unter einer massiven Wirtschaftskrise. Zwar wuchs das Bruttoinlandsprodukt mit 0,8 Prozent im dritten Quartal dieses Jahres etwas stärker als erwartet. Doch noch immer sind fast ein Viertel aller Griechen ohne Job. In einer Studie gaben 77 Prozent der befragten Griechen vor Kurzem an, dass 2016 für sie noch einmal schlechter ausgefallen ist als das Krisenjahr 2015. Eine Mehrheit glaubt nicht an eine Besserung der Lage im nächsten Jahr.
Auch wird trotz der SIRYZA-geführten Regierung in dem Krisenland seit Längerem wieder verstärkt gestreikt. So gab es am Mittwoch wegen eines Journalistenstreiks im Radio und Fernsehen keine Nachrichten. Der Streik soll am Donnerstagmorgen um 5.00 Uhr MEZ (6.00 Uhr Ortszeit) enden. Auch die staatliche Nachrichtenagentur ANA-MPA wurde bestreikt.
Die Redakteure wehren sich gegen die geplante Fusion ihrer finanziell relativ gesunden Renten- und Krankenkasse mit defizitären Kassen anderer Berufsverbände sowie gegen die hohe Arbeitslosigkeit (in diesem Bereich mehr als 50 Prozent), wie ihre Verbände (POESY und ESIEA) mitteilten.
Alle griechischen Sender zeigten am Mittwoch Spiel- und Dokumentarfilme. Nachrichtensendungen fielen aus. Wer sich in Griechenland informieren wollte, war auf die griechisch-zyprischen Medien oder einige kleinere Nachrichtenportale angewiesen, die der Journalistenverband als Streikbrecher kritisierte. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.