Wie kam der UNO-Chef zu Tode?
Weltorganisation verfügt neue Untersuchung in Sachen Dag Hammarskjöld
Schweden zählt zwei Prominente, bei denen unklar ist, wer ihr Leben gewaltsam beendete. Der eine war Ministerpräsident Olof Palme, der am 28. Februar 1986 auf offener Straße in Stockholm erschossen wurde. Dessen Mörder sind auch 30 Jahre später noch unbekannt. Der andere ist der zweite UNO-Generalsekretär Dag Hammarskjöld. Er war seit 1953 Chef der Weltorganisation, als er am 18. September 1961 bei einem Flug über das südliche Afrika nahe der Stadt Ndola im damaligen Nordrhodesien (heute Sambia) abstürzte und den Tod fand. Mit ihm starben die anderen 15 Personen an Bord der «Albertina».
Eine Untersuchungskommission der UNO konnte im Jahr nach dem Unglück keine klare Ursache ermitteln. Sie schloss einen «Pilotenirrtum» nicht aus, doch zufrieden stellte der Befund niemanden. Schon bald nach der Katastrophe war von Sabotage und Mordkomplott die Rede.
In der langen Zeit seither kehrten periodisch derartige Verdachtsmomente wieder. Das veranlasste den heutigen UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon vor fast zwei Jahren, eine Kommission zu berufen, die neue Beweise des Absturzes prüfen soll. Nun gibt es eine weitere Entwicklung: Die UNO-Vollversammlung nahm am Dienstag eine Resolution an, in der sich die Weltorganisation zur Verantwortung bekennt, die ganze Wahrheit zu den Umständen von Hammarskjölds Tod herauszufinden. Die Resolution anerkennt die Notwendigkeit weiterer Untersuchung. Der Generalsekretär wird ersucht, eine herausragende Persönlichkeit zu berufen, die die neuen Informationen bewertet und dabei potenzielles Beweismaterial aus UNO-Mitgliedsländern sichtet bzw. auf dessen Freigabe dringt.
Auslöser der jüngeren Ermittlungen ist die Studie einer internationalen Juristenkommission, der Hammarskjöld-Kommission. Sie hatte in ihrem Bericht im September 2013 nicht nur die Frage, ob es neue Anhaltspunkte für die Hintergründe des Hammarskjöld-Todes gebe, bejaht. Sie war auch zu dem Schluss gekommen, dass die Maschine des Generalsekretärs bei der geplanten Landung in Ndola «einer Form von Angriff bzw. Bedrohung ausgesetzt gewesen» sei.
Der gesamte Funkverkehr in jener Septembernacht 1961, so die Kommission, sei vom US-Geheimdienst «NSA und möglicherweise auch von der CIA aufgezeichnet worden». Darüber hinaus gebe es Beweise für eine «physische Präsenz der Vereinigten Staaten» am Flugplatz Ndola nahe der Absturzstelle. Der Londoner «Guardian» erinnerte jetzt in Verbindung mit der jüngsten UNO-Erklärung an Behauptungen zum Unglückszeitpunkt, die «Albertina» sei «von Kugeln durchsiebt gewesen. Augenzeugen gaben an, sie hätten bis zu acht weiße Männer, bewaffnet und in militärischer Tarnkleidung, an der Absturzstelle gesehen. Auch der nach Ende des Apartheidregimes in Südafrika gebildete Ausschuss für Versöhnung und Wahrheit hatte 1998 Dokumente veröffentlicht, die ein Mordkomplott gegen Hammarskjöld nahelegen.
Hintergrund: Der Generalsekretär befand sich bei seinem Todesflug auf Vermittlungsmission zum damaligen Bürgerkrieg in Kongo. In der ehemaligen belgischen Kolonie trug der UNO-Chef die Verantwortung für einen der ersten Blauhelm-Einsätze in der UNO-Geschichte. Sein Versuch, in Ndola Moise Tschombé, den Rebellenführer der abtrünnigen - und rohstoffreichen - Provinz Katanga, zu einer Rückkehr Katangas in ein föderalistisches Kongo zu bewegen, gefiel namentlich den USA und Großbritannien nicht. Sie, heißt es in historischen Unterlagen, fürchteten in Verbindung mit etwaiger Rückkehr der Separatistenprovinz in den Verbund Kongos einen Verlust ihrer milliardenschweren Schürfrechte für strategische Rohstoffe. Katanga ist das wirtschaftliche Herz Kongos und verfügt über reiche Vorkommen wie Kupfer und Kobalt, das seltene, für die Handy-Herstellung benötigte Erz Coltan. Auch das Uran, das die USA am Ende des Zweiten Weltkriegs für ihre Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki benutzten, stammte aus diesem Teil Kongos …
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