»Götter« für Assads Erfolge

Russische und andere Spezialeinheiten kämpfen in Syrien - für unterschiedliche Interessen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir werden von unseren Kameraden aus Syrien als Götter betrachtet. Sie denken, dass wir zu zehnt alle besiegen.« Ein Offizier berichtete am Sonntag im Fernsehsender »Rossi-ja 1«, wie russische Spezialeinheiten am Boden der syrischen Armee den Weg frei kämpfen. Dazu sieht man Videosequenzen aus syrischen Kampfgebieten. Raketen treffen - aus dem Hinterhalt abgefeuert - Fahrzeuge der Rebellen. Scharfschützen lauern auf den Moment, in dem sie den Finger krumm machen und 900 Meter entfernt ein Mensch zusammensackt. Das Ausheben gegnerischer Kommandozentralen haben die Speznas-Soldaten nicht vergeblich geübt.

Über alle Operationen der Einheiten werde dem Verteidigungsminister persönlich Bericht erstattet, hörte man in der TV-Reportage. Die Spezialisten verwenden modernste Laservisiere und treffen auch in der Nacht, denn man verwendet Restlichtverstärker. Über andere Waffen und Geräte, so der Reporter, dürfe man nicht berichten. Wohl aber ist zu sehen, wie russische Soldaten einen ferngesteuerten Panzer einsetzen. Doch mehr Informationen über die »Waffenversuchsanstalt« auf syrischem Grund gibt es nicht. Alles geheim.

So wie es die Bodeneinsätze russischer Truppen bis vor kurzem generell waren. Erst nach und nach wurde klar, dass Offiziere der russischen Armee nicht nur als Berater in Syrien waren. Vor wenigen Wochen hörte man, dass Einheiten mit den Namen »Sapad« (Westen) und »Wostok« (Osten) den russischen Luftstützpunkt bei Latakia bewachen. Was nicht allzu glaubhaft klang, denn damit wäre die Soldaten unterfordert. Immerhin handelt es sich um Angehörige von Spezialeinheiten, die in der noch immer unruhigen russischen Teilrepublik Tschetschenien stationiert sind. Sie wurden 2003 zusammengestellt und sind erprobt in der sogenannten Aufstandsbekämpfung. Sie haben also Erfahrungen mit der Standhaftigkeit islamistischer Kämpfer und werden es in Syrien womöglich auch mit Gegnern zu tun haben, die ihnen bekannt sind.

Nach Schätzungen des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB kämpfen etwa 2400 russische Staatsbürger in Syrien und in Irak. Die meisten davon seien Tschetschenen. Der US-Thinktank Jamestown Foundation geht sogar von bis zu 4000 Tschetschenen auf der Seite des IS aus. Sie alle sind Kinder des Krieges, Rache an den Russen ist ihr vornehmliches Ziel.

Dass eine Spezialeinheit des russischen Verteidigungsministeriums im November 2015 nach den Piloten des von der Türkei abgeschossenen russischen Su-24-Bombers gesucht hat, ist bekannt und dass die Bomber bei Präzisionsangriffen vom Boden aus gelenkt werden, weiß jeder Fachmann. In Russland war das lange ein Geheimnis. Bis zum Tag, an dem Alexander Prochorenko, starb.

Das war im vergangenen März bei Palmyra. Der 25-jährige Luftwaffenoffizier diente als - wie man in der NATO sagt - Forward Air Controller. Sein Tod war propagandistisch ausschlachtbar, denn der Soldat zog das Feuer der eigenen Bomber auf sich, um dem IS zu schaden. Man veröffentlichte sogar die letzten Minuten seines Funkverkehrs: »Sie kreisen mich ein, ich will nicht, dass sie mich kriegen … Ich will würdevoll sterben und will, dass auch diese Bastarde mit mir sterben. Bitte, erfüllen Sie meinen letzten Wunsch und führen Sie den Luftangriff durch ...«

Die russischen Spezialkräfte in Syrien können für sich in Anspruch nehmen, von der Assad-Regierung eingeladen worden zu sein. Jüngst aber hat die Nachrichtenagentur AFP ein Foto veröffentlicht, auf dem sechs US-Elitesoldaten in voller Montur auf einem Pick-up zu sehen sind. Einer trägt an der Uniform das Abzeichen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG. Weitere Bilder zeigt der Fotograf Delil Souleiman auf seiner Facebook-Seite. Er hat die Fotos mit rund 20 US-Elitesoldaten bei Fatisah, nördlich von Rakka gemacht.

Von dort bis Aleppo, wo russische Spezialkräfte operieren, braucht man mit dem Auto zwei Stunden. Kaum weiter ist es nach Palmyra, wo derzeit syrische Truppen mit russischer Unterstützung versuchen, den wieder in die Stadt eingedrungenen IS zu vertreiben.

Bis zu 300 Angehörige des Joint Special Operations Command (JSOC) sollen in Syrien »beraten«. Gut möglich, dass ihnen die Bilder, die deutsche Tornados zur Bodenstation senden, in Echtzeit zur Verfügung stehen. Doch mit den russischen und den JSOC-Truppen der USA ist die gefährliche Gemengelage verschiedenster ausländischer Spezialtruppen in Syrien längst nicht ausreichend beschrieben. Die Türkei mischt mit, die Briten auch, und Paris hält sich in dieser Frage sicher nicht bedeckt, weil man keine derartigen Operationen am Laufen hat.

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