Auf dem geordneten Rückzug
Bundeswehr geht auf Abstand zu Schießanlage im Zeitzer Forst - Neubau nun in Gera
Ein Sprichwort sagt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Im Fall der seit sieben Jahren geplanten Schießanlage er Bundeswehr im Zeitzer Forst aber gilt der Spruch nicht, glaubt Michael Kretschmer. Der Sprecher der Bürgerinitiative »Kein Schuss im Zeitzer Forst« hat jüngste Verlautbarungen der Truppe zur Kenntnis genommen. Diese teilte mit, die Baupläne im Süden von Sachsen-Anhalt würden »zunächst zurückgestellt«. Das klingt, als wolle man sich alle Möglichkeiten offen halten. Aber es klingt eben nur so, ist sich Kretschmer sicher. »Die Formulierung soll den gesichtswahrenden Rückzug ermöglichen«, sagt er: »Das Ding ist erledigt.«
Seit Juni 2010 hatten Pläne für Ärger gesorgt, in dem großen und teils streng geschützten Waldgebiet einen Schießplatz mit 26 Schießbahnen zu bauen, auf dem mit Pistolen und Maschinengewehren, im Stehen, Liegen und von Fahrzeugen geschossen werden soll - bis zu 28 800 Schuss am Tag und 9600 in der Nacht. Anwohner fürchteten Schlimmes: Die Anlage ist teils weniger als zwei Kilometer von den nächsten Wohnhäusern entfernt. Trotzdem erteilte der Burgenlandkreis im Jahr 2011 die Genehmigung. Nach einer Beschwerde der Bürgerinitiative und des Naturschutzbundes NABU wurde sie aber 2013 widerrufen. Einen Widerspruch der Bundeswehr lehnte das Landesverwaltungsamt im März 2015 ab.
Die Bundeswehr aber hielt grundsätzlich an dem Vorhaben fest und kündigte Umplanungen an. Sie will auf der Anlage Soldaten etwa aus Gera trainieren lassen, die bisher zum Schießen in das thüringische Ohrdruf gefahren wurden. Das hielt man für zu teuer und zu aufwendig und plante statt dessen die Anlage, deren Kosten zunächst auf zehn, später auf 15 Millionen Euro beziffert wurden. Das Bundesministerium für Verteidigung sprach 2013 von »Ausbildungsdefiziten« bei 1300 Soldaten aus Gera, Schaala, Naumburg und Weißenfels, die so behoben werden sollten.
Nun gibt es freilich einen Plan B: Man wolle »in einem ersten Schritt« eine Hallenschießanlage in der Pionierkaserne Gera bauen, erklärte ein Sprecher des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr auf Anfrage des »nd«. Von einem endgültigen Rückzug aus dem Zeitzer Forst ist aber ausdrücklich nicht die Rede. Erst, wenn laufende Untersuchungen abgeschlossen seien und Ergebnisse vorlägen, werde über das dort geplante Vorhaben »abschließend entschieden«, hieß es.
Für Michael Kretschmer lassen sich derlei Formulierungen in der Rubrik »Täuschen und Tarnen« einordnen: »Man will nicht eingestehen, dass eine kleine Bürgerinitiative das bessere Ende für sich haben soll«, sagt er. Es sei aber sehr unwahrscheinlich, dass zunächst mehrere Millionen Euro in Gera investiert würden und später ein noch größerer Betrag im Forst. Auch bezweifle er, dass die Umplanungen der Bundeswehr zum Erfolg führen: »Und da reden wir nur über Schall- und noch nicht über Naturschutz.« Im Zeitzer Forst gibt es eine 855 Hektar große Fläche, die als Nationales Naturerbe klassifiziert ist, dazu viele seltene Tier- und Pflanzenarten. Erst vor wenigen Monaten seien auch Wildkatzen beobachtet worden.
Die Bürgerinitiative will sich nach dem - wie sie es sieht - faktischen Aus für die Schießanlage nun verstärkt um ein Problem kümmern, das ebenfalls für viel Frust bei Anwohnern sorgt: die Betretbarkeit des Forstes. Die Bundeswehr, der trotz gegenteiliger Voten der Kreistage in Naumburg und Zeitz und trotz massiver Proteste in der Bevölkerung 1998 gut 700 Hektar Waldfläche durch die Bundesvermögensverwaltung überlassen wurden, duldete zunächst die Nutzung einiger Wanderwege. Im Jahr 2009 wurde diese Regelung aber widerrufen. Seither gibt es ein erbittertes Tauziehen.
»Man will die Bevölkerung draußen halten«, sagt Kretschmer, der ankündigt, die Bürgerinitiative könne nun auch zu juristischen Mitteln greifen: »Wenn sich eventuelle Klagen in Sachen Schießplatz jetzt erübrigt haben, könnten wir uns verstärkt auf dieses Thema konzentrieren.« Bei einer Versammlung der Initiative am Wochenende könnte über diese Pläne beraten werden.
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