Die Helfer zwischen den Fronten
Rotkreuzorganisationen in Aleppo: «Geben unser Bestes, aber das ist nicht genug»
In den westlichen Stadtteilen von Aleppo sind am Donnerstag die ersten Evakuierten aus dem Ostteil der Stadt eingetroffen. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen beider Seiten im syrischen Konflikt waren am Mittwoch enttäuscht, dass der vereinbarte Waffenstillstand doch wieder gebrochen wurde. Zehntausende mussten so bis zum Donnerstag dort ausharren.
Vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bis zum Roten Halbmond und anderen Hilfsorganisationen war Bedauern zu hören, dass weder Lebensmittel noch Unterbringung oder medizinische Versorgung möglich waren. «Nachdem wir gehört hatten, dass die Russen zugestimmt hatten, haben wir die ganze Nacht über daran gearbeitet, die Evakuierung vorzubereiten», sagte der Arzt Mohamad Katoub zu der Nachricht vom Waffenstillstand. Er ist Geschäftsführer bei der Syrisch-Amerikanischen Medizingesellschaft (SAMS) mit Sitz in der türkischen Stadt Gaziantep.
Nach Katoubs Angaben ist die medizinische Hilfsorganisation daran gehindert worden, in den von der Regierung kontrollierten Gebieten tätig zu werden. Sie habe nur in den von den Rebellen gehaltenen Bezirken arbeiten können. Auch habe SAMS 2,7 Millionen syrische Flüchtlinge in der Türkei und 1,2 Millionen nach Jordanien Geflohene versorgt.
Unklar war am Mittwoch, welche Seite den Waffenstillstand am Mittwoch zuerst gebrochen hat. Aber für die Hilfsorganisationen ist das letztlich unerheblich. Fest stand: Sie konnten nicht tätig werden. «Es war unmöglich, Patienten zu evakuieren, Krankenhäuser zu beliefern und den Eingeschlossenen die so sehr benötigte Hilfe zu bringen», sagte Teresa Sancristóval, die Leiterin der Noteinsatzgruppe von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Aleppo. MSF und SAMS erklärten inzwischen, sie hätten sich gezwungen gesehen, sich völlig aus dem umkämpften Osten von Aleppo zurückzuziehen.
Derzeit seien sie nur in den von den Rebellen gehaltenen ländlichen Gebieten nördlich von Aleppo tätig. Ohnehin gelten MSF und SAMS als oppositionsnah. Rund 50 000 Zivilisten seien noch in Ostaleppo eingeschlossen, berichtete der Zahnarzt Salem Abu-Nasr, einer der wenigen dort noch verbliebenen Mediziner wenige Stunden vor Beginn der Evakuierungen. «Am Montag haben wir den Kontakt mit den Ärzten in der Hayat-Klinik verloren, der einzigen dort verbliebenen Einrichtung, die noch arbeitet. Seit vier Tagen haben wir nichts mehr von dort gehört.
Das IKRK berichtete, dass Tausende, die aus Ostaleppo geflohen sind, jetzt im Westen der Stadt in einer ehemaligen Textilfabrik untergebracht werden sollen. Jetzt gehe es darum, genug Toiletten und Waschgelegenheiten einzurichten. »Diese Hallen sind nicht für die Unterbringung von Menschen vorbereitet«, erklärte Ingry Sedky aus Ägypten für das IKRK in Damaskus. »Wir geben unser Bestes, aber das ist nicht genug.«
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