Amerikanischer Turnverband deckte Verbrechen

Der Skandal um den sexuellen Missbrauch von jungen Sportlerinnen in den USA weitet sich aus

  • Sebastian Moll, New York
  • Lesedauer: 3 Min.

2009 war ein erfolgreiches Jahr für die amerikanischen Turnerinnen, das US-Team gewann bei den Weltmeisterschaften insgesamt fünf Medaillen, zwei davon in Gold. So schien es nur verdient, dass der Nationaltrainer Doug Boger zum Trainer des Jahres gewählt wurde. Über die Erfolge von Boger waren allerdings nicht alle Mitglieder der US-Turnfamilie glücklich. So konnten sieben ehemalige Turnerinnen nicht fassen, dass der Verband US Gymnastics Boger zu den Weltmeisterschaften entsandt und ihn dann auch noch auf den Triumphschild gehoben hatte.

Die Frauen hatten noch vor der WM einen Brief an den Verbandschef Steve Penny geschickt, in dem sie Bedenken gegen Boger äußerten. Sie alle behaupteten als Athletinnen von Boger in den 80er Jahren sexuell missbraucht worden zu sein. Zur selben Zeit hatte es eine Anklage gegen Boger gegeben, von der er jedoch mangels harter Beweise freigesprochen wurde. Der Verband leitete eine Untersuchung ein, Konsequenzen für den Trainer hatte das jedoch nicht. Erst, als die sieben Frauen an die Presse gingen, wurde Boger entlassen - fast zwei Jahre später. In einem erneuten Gerichtsverfahren wurde er erneut freigesprochen, wegen Verjährung.

Wegen dieser lässlichen Behandlung von Missbrauchsvorwürfen gerät der US-Turnverband nun massiv unter Druck. Eine langfristige Recherche der Zeitung »Indianapolis Star« hat ergeben, dass es in den vergangenen 20 Jahren mindestens 368 aktenkundige Fälle sexuellen Missbrauchs im US-Turnen gegeben hat. Die Dunkelziffer liegt vermutlich um ein vielfaches höher. In der Mehrzahl wurden diese Fälle, wie im Falle Boger, vom Verband unter den Teppich gekehrt.

Beschuldigte Trainer konnten zum Teil noch Jahrzehnte lang ihren Job ausüben. Beispielsweise Jeffrey Bettman, bereits bereits im Jahr 2000 von seinem Trainerposten in Kalifornien gefeuert wurde, nachdem eine Turnerin gegen ihn Anklage wegen sexuellen Missbrauchs erhoben hatte. Doch schon kurz darauf trat er einen neuen Job in einem neuen Club an. Bis die Klubbesitzerin Jill Hill bemerkte, dass Bettman junge Mädchen auf seinen Schoß zog und sie küsste dauerte es drei Jahre.

Hill feuerte Bettman und ging zur Polizei. Doch noch während gegen Bettman ermittelt wurde, bekam er einen neuen Trainerjob in Oregon. Auf ihre Beschwerde beim Verband hin, wurde Hill mitgeteilt, dass USA Gymnastics die Hände gebunden seien. Mittlerweile wurde Bettman zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Man stellte unter anderem 469 Videos bei ihm sicher, die er von den Sportlerinnen heimlich in der Umkleidekabine geschossen hatte.

Die Recherchen der Reporter des »Indianapolis Star« haben ergeben, dass Verbandspräsident Penny alles dafür tue, das Problem vom Tisch zu bekommen. So wurden die sieben Frauen, die Boger beschuldigten, »rüde abgebürstet«. Es sei ihnen dringend nahegelegt worden, ihre Beschwerde fallen zu lassen.

Bei außergerichtlichen Einigungen mit überführten Trainern wurde alles dafür getan, die Dokumente der Verhandlungen aus der Öffentlichkeit heraus zu halten. In einem Fall hatte ein Gericht in Georgia die Herausgabe der Akten an die Öffentlichkeit angeordnet. Die Anwälte des Verbandes kämpfen weiterhin dagegen an.

Für Nancy Hogshead Makar, Olympiasiegerin im Schwimmen und Stifterin einer Vereinigung zur Bekämpfung von Missbrauch im Sport, liegen die Motive des Verbandes klar: »Das US-Turnen reitet auf einer Erfolgswelle. Wir gewinnen alles, die Sponsoren stehen Schlange. Das will man nicht durch negative Schlagzeilen gefährden.«

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