Phantome in der Oper

Kostenexplosion, Fehlplanung, Provisorien: Etliche große Musiktheater und Schauspielhäuser werden derzeit saniert

  • Dorothea Hülsmeier
  • Lesedauer: 5 Min.

Ob Berlin, München, Köln oder Frankfurt am Main - viele Theater- und Opernhäuser in Deutschland sind marode und müssen saniert werden. Kostenexplosionen, Fehlplanungen und oft jahrelanges Ausweichen auf Ersatzspielstätten zehren an den Nerven der Ensembles und der Behörden. Wiedereröffnungen verschieben sich Jahr um Jahr. Unter solchen Bedingungen die Zuschauer zu halten, wird zur Kunst für sich. Die Gesamtkosten allein für diese Sanierungen summieren sich auf fast zwei Milliarden Euro - eine Übersicht.

Lindenoper Berlin

Die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden zählt zu den größeren Berliner Baupannen der vergangenen Jahre. Statt 239 Millionen Euro wird die Renovierung am Ende wohl mehr als 400 Millionen kosten - und drei Jahre länger dauern als vorgesehen. Dafür wird das Ensemble ein akustisch und technisch fast perfektes Haus bekommen. Mit Beginn der nächsten Spielzeit soll die Lindenoper am 3. Oktober 2017 wieder für das Publikum öffnen. Dabei sollte alles anders laufen. In einem Architektenwettbewerb wurde der Entwurf für einen modernen Innenraum unter Beibehaltung der historischen Hülle auserkoren. Doch nach massiven Protesten zugunsten des Erhalts des Rokoko-Saals kippte Berlins damaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) den Siegerentwurf, bestand aber auf dem ursprünglichen Zeitplan. Dadurch liefen Kosten und Termine aus dem Ruder, wie später ein Untersuchungsausschuss urteilte. Verschärfend kamen die Pleite einer Planungsfirma, der Fund mittelalterlicher Baureste und die extrem marode Bausubstanz des in den 1950er Jahren aus Kriegsruinen wiederaufgebauten Opernhauses hinzu.

Opern- und Schauspielhaus Köln

Kosten in dreistelliger Millionenhöhe kommen auch auf Köln in Nordrhein-Westfalen zu: Die Sanierung der Kölner Bühnen - Opern- und Schauspielhaus - wird nach derzeitigem Stand 404 Millionen Euro kosten. 2015 war deutlich geworden, dass die Arbeiten mindestens drei Jahre länger dauern und wenigstens 100 Millionen Euro mehr kosten als ursprünglich geplant: Anfangs waren einmal 250 Millionen Euro vorgesehen. Wie teuer die Sanierung am Ende tatsächlich wird und wann die Bühnen wiedereröffnen, könne man wohl erst im Juni 2017 belastbar einschätzen, erklärte der technische Betriebsleiter Bernd Streitberger. »Es hat hier eklatante Fehlleistungen gegeben, sowohl bei der Planung wie bei der Bauleitung der Gewerke der technischen Ausrüstung.« Streitberger listete eine 700 Punkte-Mängelliste auf.

Schauspielhaus Düsseldorf

Seit Anfang 2016 ist das Düsseldorfer Schauspielhaus wegen Sanierung im Gebäude und einer angrenzenden Großbaustelle (Kö-Bogen II) geschlossen - und keiner weiß genau, wann es wiedereröffnet wird. Dem neuen Intendanten Wilfried Schulz wurde nur scheibchenweise offenbart, dass der 60er-Jahre-Bau über mehrere Jahre dicht bleibt. Schulz vagabundiert mit seiner Truppe durch Ersatzspielstätten in der NRW-Hauptstadt. Frühestens im Herbst 2018 dürfte das Haus wiedereröffnet werden, so die derzeitige Prognose. Schulz stellt klar: »Ich bin nicht bereit, später ins Haus zu gehen.« Doch auch in Düsseldorf wird die Sanierung immer teurer. 58 Millionen Euro haben Stadt und Land schon investiert. Erst kürzlich gaben sie wieder Millionen frei: Fassaden- und Dacherneuerung werden noch einmal mindestens 20 Millionen Euro verschlingen. Dann zettelte Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) auch noch eine Debatte an, ob man das Haus überhaupt noch in dieser Form brauche. Wütende Proteste schlugen ihm entgegen.

Schauspiel und Oper Frankfurt/M.

Sie sind in einer Doppelanlage unter einem Dach untergebracht und haben eine alte Heizungs-und Klimatechnik - Schauspiel und Oper in Frankfurt am Main. Eine Generalsanierung könnte nach ersten Schätzungen bis zu fast 400 Millionen Euro kosten. Doch bevor endgültige Zahlen auf dem Tisch liegen, entbrannte im vergangenen Sommer ein heftiger Streit um die Zukunft der Städtischen Bühnen. Die Stadtspitze will einen Neubau an ganz anderer Stelle nicht ausschließen. Andere träumen sogar vom Wiederaufbau des im Krieg zerstörten Schauspielhauses. Schauspiel und Oper wollen dagegen unbedingt am Willy-Brandt-Platz in der Innenstadt bleiben. Allerdings müssen sie dann in der Zeit des Um- oder Neubaus in andere Quartiere ausweichen. Jetzt soll ein Gutachten zum Sanierungsbedarf abgewartet werden.

Schauspielhaus Stuttgart

Nach der umfassenden Sanierung des 50 Jahre alten Schauspielhauses im Stuttgarter Schlossgarten für 40 Millionen Euro steht der dicke Brocken noch bevor: die Generalsanierung des benachbarten, 100 Jahre alten Opernhauses. Geschätzt 400 Millionen Euro wollen das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart einsetzen. Nun wird nach einer Ersatzspielstätte gesucht, weil das Opernhaus für Jahre geschlossen werden muss. Die Württembergischen Staatstheater gelten als weltweit größtes Dreispartenhaus. Die Erweiterung der Oper im Schlossgarten soll nach 2025 abgeschlossen sein.

Gärtnerplatztheater München

Bereits seit 2012 wird in München das Gärtnerplatztheater saniert - eigentlich sollte es zur Feier des 150-jährigen Bestehens Ende 2015 fertig sein. Die Eröffnung wurde jedoch bereits zweimal verschoben. Der Grund ist nach Behördenangaben der »hochkomplexe Ausbau«. Die Wiederaufnahme des Spielbetriebs soll voraussichtlich erst im Oktober 2017 möglich sein. In der vergangenen Saison musste das Theater deshalb auf diverse Ersatzspielstätten ausweichen. Teurer als geplant wird die Sanierung auch: 96 statt 77 Millionen Euro wurden zuletzt veranschlagt.

Festspielhaus Bayreuth

Das berühmte Festspielhaus in Bayreuth (Bayern) aus dem 19. Jahrhundert muss umfassend saniert werden. 30 Millionen Euro sind dafür bisher einkalkuliert. Ursprünglich rechneten die Wagner-Festspiele damit, dass die Arbeiten acht Jahre bis 2023 dauern. Nun aber sollen sie erst bis 2026 abgeschlossen sein. Die Sanierung droht komplizierter zu werden als gedacht, denn die Mängel betreffen alle Gewerke, stellte sich heraus. Man müsse davon ausgehen, dass die bisherige Finanzierungsvereinbarung nicht aufrecht erhalten werden könne, teilten die Festspiele mit.

Kraftwerk Mitte Dresden

Licht im Osten: Dresden bekommt gerade sechs moderne Bühnen, was in Zeiten knapper Kassen fast an ein Wunder grenzt. Kürzlich öffnete in Sachsens Hauptstadt eine fast 100 Millionen Euro teure neue Kulturstätte ihre Türen. Das frühere Kraftwerk Mitte wird ein Musentempel für die Staatsoperette und das Theater Junge Generation - Deutschlands größtes Kinder- und Jugendtheater mit gleich drei Spielstätten. Parallel dazu wurde der zu DDR-Zeiten eröffnete Kulturpalast in der City für fast 90 Millionen Euro umgebaut. Dort entsteht unter anderem ein erstklassiger Saal für die Philharmonie. Die Eröffnung ist für April 2017 geplant. Die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Häuser am Stadtrand waren unter schlechten Bedingungen lange zum Improvisieren gezwungen. Im Palast lief schon 2012 die Betriebsgenehmigung aus, zuvor war er wegen Brandschutzmängeln einmal geschlossen worden. Allerdings liegen die Kosten für beide Projekte um zehn Millionen Euro über dem Plan. dpa/nd

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