Lederer stellt Kopftuchverbot an Schulen infrage

LINKE-Kultursenator will Berliner Neutralitätsgesetz überprüfen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der für Religionsfragen zuständige Kultursenator Klaus Lederer hat sich für eine Überprüfung des Neutralitätsgesetzes ausgesprochen. Nach mehr als zehn Jahren sei es an der Zeit, die Wirkungen der damals gesetzten Normen zu untersuchen und das Neutralitätsgesetz zu überprüfen, sagte der LINKE-Politiker dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Dies gelte auch vor dem Hintergrund des Bundesverfassungsgerichts-Urteils von Anfang 2015, wonach ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen nicht mit der Verfassung vereinbar ist.

Der neue Berliner Kultursenator sprach sich gegen ein Totalverbot religiöser Symbole etwa bei Lehrern aus. Staatliche Neutralität schließe nicht unbedingt ein, dass alle Bediensteten im Öffentlichen Dienst ihre Persönlichkeit verstaatlichen: »Ich habe kein Problem damit, wenn eine Lehrerin ein Kreuz um den Hals trägt.« Der 42-Jährige fügte hinzu: »Ich finde, das gehört in einer offenen Gesellschaft dazu, das auszuhalten.« Dies gelte auch für andere religiöse Bekundungen von Lehrern an staatlichen Schulen, also etwa das Kopftuch.

Anders seien die Dinge gelagert, wenn beispielsweise Kreuze in Klassenzimmer »eine unmittelbare Parteinahme des Staates für bestimmte Religionen oder Religionsgemeinschaften intendieren«. Lederer erläuterte: »Bei einer Lehrerin, die ein Kreuz um den Hals trägt, komme ich aber nicht auf die Idee, dass dies bedeutet, dass der Staat sich in besonderer Weise für die christlichen Kirchen engagiert. Gleichwohl weiß ich um die Abwägung, die da passieren muss - es ist klar, dass die Neutralität in bestimmten Institutionen und Räumen des Staates erkennbar gewahrt bleiben muss.«

Für individuelle religiöse Symbole gelte nach seiner Überzeugung, dass es in einer offenen Gesellschaft Zumutungen gebe, die untereinander auszuhalten seien: »Sie sind Ausdruck der Tatsache, dass ich beim Anderen das Anderssein respektiere.« Gelte dies nicht, käme man nach Lederers Worten »relativ schnell in eine uniforme Gesellschaft, in der es nur eine Form von Lebensideal gibt, der sich alle anderen unterzuordnen haben«. Das wolle er nicht. Gleichwohl gebe es einige wenige und spezielle Bereiche, wo auf jede Art von religiösen Bekundungen verzichtet werden könne, etwa in Gerichtssälen, wo Richter und Anwälte Roben tragen. Dies müsse dann aber für alle Religionen gleichermaßen gelten.

Lederer unterstrich: »Die strikten Regelungen des Berliner Neutralitätsgesetzes sind nach meiner Auffassung laut der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu überprüfen.« Demnach brauche es die konkrete Gefahr von Konflikten, ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrer an öffentlichen Schulen sei mit der Verfassung nicht zu vereinbaren. »Da besteht beim Staat eine Bringepflicht«, argumentierte der LINKE-Politiker. Er erwarte, dass auch in Berlin die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt wird. Dies sei ohne eine Änderung des Berliner Gesetzes nicht zu machen. Vor einer Novellierung plädierte Lederer aber für eine »Phase des Nachdenkens«. In dieser brauche es auch noch mehr Studien und Erkenntnisse etwa darüber, ob Kopftuchverbote die Integration behindern oder sie fördern.

Seit rund zehn Jahren gilt in Berlin ein weitgehendes Verbot religiöser Symbole in Teilen des Öffentlichen Dienstes. Der von SPD und PDS geführte Berliner Senat beschloss Ende März 2004 ein Neutralitätsgesetz für Beamte bei Gericht, im Justizvollzug, bei der Polizei sowie für Lehrer. Konkret spricht der Gesetzestext von »sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbolen«, die für den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren. epd/nd

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