Trainingseinheit vor 40 000 Fans

Die Veranstalter wollen das Schalker Biathlonrennen noch spektakulärer machen, nach 15 Jahren ist das auch nötig

  • Andreas Morbach, Gelsenkirchen
  • Lesedauer: 3 Min.

Vanessa Hinz hatte ordentlich zu schleppen an ihrer Trophäe. Nach dem Biathlonrennen auf Schalke bekommen die Gewinner einen rund 80 Zentimeter hohen Pokal in die Hände gedrückt - und den musste die 24-Jährige aus Schliersee einige Male in die Luft stemmen. Im Oval der blau-weißen Mehrzweckarena tummelten sich nach der postweihnachtlichen Biathlonsause zahlreiche Fans, alle auf der Jagd nach einem Erinnerungsfoto mit Hinz und ihrem silbernen Siegerinnenpott. Ein Handy nach dem anderen wurde also gezückt, die Zolloberwachtmeisterin knipste dazu ihr schönstes Lächeln an, ehe sie irgendwann entschuldigend in die Runde rief: »Ich muss jetzt zur Pressekonferenz.«

Dort saß sie dann mit ihrem erfolgreichen Staffelpartner Simon Schempp und den zweitplatzierten Nationalmannschaftskollegen Franziska Hildebrand und Erik Lesser auf dem Podium und berichtete vom speziellen Gelsenkirchener Kraftquell. In den drei Weltcups des Dezembers war die Staffelweltmeisterin von 2015 noch nicht richtig in Fahrt gekommen, besonders heftig schwankten ihre Leistungen in Nove Mesto, der letzten Station vor Weihnachten: Im Sprint landete sie auf dem indiskutablen 73. Platz, verpasste so die Verfolgung, rehabilitierte sich zum Abschluss aber mit Rang vier im Massenstart. Es war Hinz› bis dahin bestes Ergebnis in diesem Winter.

Der Triumph im Revier am Mittwochabend war die ultimative Steigerung, auch wenn sie nicht zum Weltcup zählt. Punkte für die Gesamtwertung gibt es ab Ende nächster Woche wieder, wenn der Biathlontross in Oberhof einkehrt. Wieder mit dabei ist dann auch Vanessa Hinz, die in Gelsenkirchen vor allem mit starken Schießeinlagen überzeugte. Im entscheidenden Verfolgungsrennen blieb sie bei drei der vier Serien fehlerfrei, nur bei der letzten Übung gingen zwei Patronen daneben. »Ich kann schießen, das weiß ich auch. Und ein Wettbewerb wie dieser kann helfen, dass ich mir beim nächsten Weltcup sage: Ich hab‹ das nach Weihnachten vor 40 000 Zuschauern geschafft, also schaffe ich das auch hier.« Ihr Fazit lautete also: »Auf Schalke kann man sich freischießen.«

Dass die internationalen Spitzenkräfte der Biathlonszene dabei zunehmend so frei sind, die Reise ins Ruhrgebiet zu meiden, kam den deutschen Sportlern dabei zugute. Jenseits der Starter vom Deutschen Skiverband waren von den jeweils 20 Besten im aktuellen Gesamtweltcup der Männer und Frauen nur die Tschechin Gabriela Koukalova, die Italienerin Dorothea Wierer und Anaïs Bescond aus Frankreich mit dabei.

Aus familiären Gründen fehlte auch der französische Vorjahressieger Martin Fourcade. So musste unter anderem Simon Schempp diesmal auf ein Kräftemessen mit dem Branchengiganten verzichten. »Ich hab› ihn wahnsinnig vermisst«, kommentierte der Ruhpoldinger in gequälter Ironie. Dann fügte er ernst hinzu: »Er hat das Format ja schon mal gewonnen. Und vielleicht ist er im nächsten Jahr ja wieder dabei.« Von einem Freispiel beim Heimspiel wollte Franziska Hildebrand aber nichts wissen. »Wir hatten schon eine gewisse internationale Konkurrenz«, sagte die gebürtige Hallenserin. »Und im Rennen wird sich ohnehin nichts geschenkt.«

Doch auch das Publikum wirkt nach 15 Aufgüssen der Schalker Skijagd mittlerweile etwas ermattet. Gerade im Vergleich zu den leicht archaischen Anfängen kommt der Applaus von den Rängen nun manchmal eher pflichtschuldig daher. Dabei hatten die Organisatoren den Kurs mit neuen Steigungen, steilen Abfahrten und verbesserten Überholmöglichkeiten auf breiteren Trassen reizvoller denn je gestaltet. »Die Strecke in diesem Jahr«, betonte etwa Doppelweltmeister Lesser, »war die beste, die sie hier je hingezaubert haben.«

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