Gottes Wille im Nebel irdischer Intrige

Auch in der ewigen Stadt nur ewige Interessen: »Konklave« von Robert Harris

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Vor den weißen Rauch in der Sixtinischen Kapelle haben die Götter weniger den Schweiß als die Intrige gesetzt. Auf diesem geerdeten Gedanken gründet der jüngste Roman »Konklave« von Robert Harris. Der promovierte Cambridge-Absolvent, frühere politische Journalist, Kenner und Kritiker Tony Blairs, der demnächst 60 wird, ist seit seinem Durchbruch mit »Vaterland« in seinen zahlreichen Romanen immer ein politischer Autor geblieben, egal ob seine Stoffe in der Antike, der jüngeren Vergangenheit oder der Gegenwart handeln.

Nachdem Harris zuletzt eine Roman-Trilogie über Cicero (106 - 43 v. Chr.), den großen römischen Redner und Politiker, Philosophen und Zeitgenossen Cäsars, veröffentlichte, beschäftigt er sich in seinem neuen Buch über Kirche und Papst wieder mit nahezu antiken Einrichtungen, jedoch vor dem Hintergrund von Internet, Smartphone und islamistischem Terror. Und, dies gleich zu Beginn, »Konklave« ist ein besonders großer Wurf des Schriftstellers, der in einem alten Pfarrhaus in Berkshire westlich von London lebt und weiß Gott schon bisher kein Langweiler war.

Wie oft hat Harris auch in diesen Roman ein Element des Kriminellen eingebaut. Das heißt, er hat sich in der Wirklichkeit umgesehen. Sein Plot geht so: Der alte Papst, der ein Mann gewesen ist wie der aktuelle Heilige Vater (weswegen Harris genau dies im Vorwort listig verneint), ist tot, ein Nachfolger muss bestimmt werden. 117 Kardinäle aus aller Welt sind in die Ewige Stadt gekommen, gerüstet für das Konklave, lateinisch für »verschlossener Raum«. Der Autor: »Seit dem 13. Jahrhundert war das die Methode, wie die Kirche sicherstellte, dass ihre Kardinäle zu einer Entscheidung fanden. Außer zum Essen und zum Schlafen durften sie die Kapelle nicht verlassen - bis sie einen Papst gewählt hatten« - und, ließe sich anfügen, so der Wille Gottes menschliche Gestalt annahm.

Zur Ausgangslage gehört, dass Kardinal Lomeli, ein alter Hase, der seit Jahren vergeblich versucht, »in seinem Geist Raum für Gott zu schaffen«, das Konklave leiten und sich dazu auf die wichtigsten Lager innerhalb des Wahlkollegiums einstellen muss. Kardinal Tedesco zählt als Traditionalist. Der Kanadier Tremblay als Modernisierer, u.a. weil er den Vorteil hatte, »wie ein Amerikaner zu wirken, ohne den Nachteil, tatsächlich einer zu sein«. Und der Afrikaner Adeyemi trägt die revolutionäre und faszinierende Möglichkeit in sich, vielleicht bald schon der erste schwarze Papst zu sein.

Bei Beginn des Konklaves, als Kardinal Lomeli die Personalien überprüft, gibt es eine kleine Überraschung. Neben den erwarteten wahlberechtigten 117 Kardinälen ist ein 118. erschienen, der Erzbischof von Bagdad. Ein Mann, den niemand kennt, keiner einzuordnen vermag und der dennoch die Rechtmäßigkeit seiner Ernennung durch den verstorbenen Papst mit seiner Urkunde belegt. Womit der erste Wahlgang in der Sixtinischen Kapelle beginnen kann …

Robert Harris schildert nun jene Vorgänge, die sich für die Öffentlichkeit außerhalb des Vatikans mit schwarzem und weißem Rauch verbinden. Schwarz bedeutet, die entscheidende Mehrheit lässt noch auf sich warten. Weiß heißt, die Entbindung hat stattgefunden - habemus papam. In diesem Fall zieht sich die Wahl allerdings besonders hartnäckig hin. Weder beim dritten, nicht beim fünften, noch beim siebenten Wahlgang gibt es eine Entscheidung. Dafür manch überraschende, ja jähe Wendung für alte und neue Favoriten, vor allem aber die immer deutlicher werdende Erkenntnis, wie schwer es der Wille Gottes hat, sich im Nebel menschlichen Ehrgeizes und irdischer Intrige durchzusetzen.

Der Widerstreit zwischen hochmögendem Wort (Tremblay »troff vor Güte«) und eigennütziger Tat in dieser hoch heiligen Runde, die knisternde Schilderung biederer Wahlgänge und das Offenlegen von Korruption in allerhöchsten Kreisen - die Dramaturgie, die Harris hierzu benutzt, ist von göttlicher Komödianz. Dazwischen, im Kleinen, auch von dem Humor, der so gut in England gedeiht. Als mit jedem unentschiedenen Wahlgang die Schwierigkeit für das vatikanische Pressebüro wächst, den Medienvertretern plausible Erklärungen zu liefern, verfügt Lomeli seinen Bediensteten, alle möglichen Gründe für die Verzögerung zu nennen, nur nicht die wahren.

»Sagen Sie, wir nehmen uns mit Vorbedacht so viel Zeit, wir beten intensiv, um Gottes Willen gerecht zu werden, es könne also noch einige Tage dauern, bis wir uns auf unseren neuen Hirten geeinigt haben. Sie können auch noch darauf hinweisen, dass Gott sich nicht zur Eile nötigen lässt, nur weil das CNN in den Kram passen würde.«

Wer am Ende das Rennen macht, sei nicht verraten. Aber wie Harris seine Leser damit unterhält, dass auch in der ewigen Stadt nicht ewige Güte, sondern nur ewige Interessen walten und dass der dahingeschiedene Papst deshalb zwar nie an Gott zweifelte, jedoch den Glauben an die Kirche verloren hatte, das ist einfach himmlisch.

Robert Harris: Konklave. Roman. Aus dem Englischen von Wolfgang Müller. W. Heyne Verlag. 352 S., geb., 21,99 €.

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