Neuer Fahrplan, neues Chaos
Betreiberwechsel im Nahverkehr und die Folgen
Der zurückliegende Fahrplanwechsel zum 11. Dezember war in vielen Regionen von einem Betreiberwechsel bei Bussen und Bahnen begleitet. Doch nicht immer waren die neu in Erscheinung tretenden Firmen, die im Auftrag von Verkehrsverbünden und Kommunen den Personennahverkehr übernahmen, ihren Aufgaben gewachsen.
So häuften sich gleich am ersten Werktag nach dem Betreiberwechsel in Teilen des Rhein-Main-Gebiets Klagen von Berufspendlern und Schülern über Ausfälle und größere Verspätungen im Busnetz. Betroffen waren speziell die Landkreise Main-Taunus-Kreis und Hochtaunuskreis nordwestlich der Bankenmetropole Frankfurt am Main. Hier hatte die DB Busverkehr Hessen den Zuschlag bekommen. Das Unternehmen war offenbar völlig überfordert, viele der angeheuerten Busfahrer hatten offensichtlich keine genauere Ortskenntnis.
Genervt zeigte sich der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV). »Jeder Ausfall, jede Verzögerung ist Grund zur Verärgerung. So kann das nicht weitergehen. Wir erwarten einen zuverlässigen Betrieb«, mahnte RMV-Geschäftsführer Knut Ringat. Man habe mehrfach vor dem Fahrplanwechsel Unterstützung angeboten und mit einem eigenem Service-Team den Busfahrern Ortskenntnis vermittelt, so der RMV-Chef.
»Positiv zuversichtlich«, dass mit dem Ende der Schulferien ab Montag der Regelbetrieb »reibungslos« verlaufen könne, zeigte sich auf »nd«-Anfrage ein DB-Sprecher in Frankfurt am Main. In den letzten Tagen sei die Schulung der Fahrer fortgesetzt worden. Auch eine »Entflechtung der Dienstpläne« und die Anmietung weiterer Subunternehmen würden für eine Behebung der Probleme sorgen. Dass die Personaldecke indes noch dünn ist, zeigt die anhaltende Suche der DB Busverkehr Hessen nach Fahrern »zum nächstmöglichen Zeitpunkt«.
Der Mangel könne auch durch »schlechte Arbeitsbedingungen, insbesondere eine zu niedrige Bezahlung der Fahrer« ausgelöst sein, mutmaßt die Linksfraktion im Rhein-Taunus-Kreistag. Sie möchte zur Aufklärung des Busverkehrs-Chaos von der Verwaltungsspitze wissen, ob Vorgaben in der Ausschreibung »nicht präzise genug waren« und »die Angebote nicht sorgfältig genug geprüft« wurden.
Das Chaos um Frankfurt am Main gehört zu einer langen Kette missglückter Betreiberwechsel im öffentlichen Personennahverkehr, die auf dem Rücken des Personals erfolgten. Zu den Vorreitern zählte das nahe Wiesbaden. Hier hatte die Stadtspitze 2004 ein gut funktionierendes Busnetz zerschlagen und als billigsten Anbieter für einen Teil des Netzes mit Wibus eine neue Gemeinschaftsfirma mit der Hamburger Hochbahn AG (HHA) gegründet. Die Folgen waren chaotische Zustände, weil man die Kosten für eine Einweisung der mit Geldern der Arbeitsagentur rekrutierten Fahrer sparen wollte. Wibus wurde 2015 aufgelöst und in die städtische ESWE Verkehrsgesellschaft eingegliedert. Dass es eigene kommunale Betriebe meist besser können, scheint sich aber anderswo noch nicht herumgesprochen zu haben.
Auch im angrenzenden Rheinland-Pfalz sehnen sich viele Bahnpendler nach den DB-Regionalbahnen mit ihrem erfahrenen Personal zurück. Die DB Regio wurde im Südwesten vor zwei Jahren per Ausschreibung von der Privatbahn Vlexx verdrängt. In sozialen Netzwerken beschweren sich Vlexx-Fahrgäste bis zum heutigen Tage über Verspätungen, Zugausfälle, defekte Toiletten und Heizungen sowie über fehlende Information.
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