Falsche neue Öko-Helden
Eine bessere Welt winkt vordergründig RWE-Aktionären und Firmenmanagern
Hippe Twens schauen entschlossen in die Zukunft. Auf einem Flugfeld fallen alte Möbel vom Himmel und zerschellen auf der Landebahn. Langes blondes Haar wird abgeschnitten. Ein von Hühnern bevölkerter Dachgarten mit roten Tomaten bepflanzt. Ein Auto mit Strom betankt. Vor einem blauen See streicht sich eine Schwangere verantwortungsvoll über den Bauch. Der Werbefilm der Ökostrom-Tochter Innogy des Dax-Energiekonzerns RWE will »mehr Sinn«. Der alte Kohle- und Atomstromriese aus dem Ruhrgebiet gibt sich besorgt existentiell: »Was würden wir tun, wenn wir noch einmal neu anfangen könnten«? In Weichzeichner-Szenen verspricht der Clip schmerzfreie Lösungen. »Nicht so viel reden, mehr zuhören«, »weniger Anzüge tragen« und »die Energie der Natur nutzen«. Schöne Antworten für eine Generation, die mit ökologischem Gewissen groß geworden ist. Nicht weniger als das Überleben des Planeten muss für die Werbekampagne herhalten: »Wir würden unseren Kindern das größte Geschenk machen – eine bessere Welt!«.
Im neuen Jahr werden wir mehr solcher Werbekampagnen bestaunen dürfen. Die neue Energielandschaft braucht neue Public-Relation-Dörfer. Ein Blick in die schöne bunte Firmenwelt aber zeigt: eine bessere Welt winkt vordergründig RWE-Aktionären und Firmenmanagement. Jahrzehntelang haben RWE, aber auch Eon, Vattenfall und das öffentlich-rechtliche EnBW Milliardengewinne auf Kosten anderer eingefahren. Seit dem Jahr 2000 haben allein Eon und RWE Dividenden in Höhe von 50 Milliarden Euro an Aktionäre ausgeschüttet. Die Führungsspitze verdient Millionen-Saläre. Der Atomausstieg hat den Konzernen, wie immer behauptet, nicht das Genick gebrochen. Selbst im schwierigen Umbruchjahr 2014 lag der Gewinn von RWE bei 1,4 Milliarden Euro.
So blendend das Super-Profit-Geschäft mit Atom- und Kohlestrom lief, so hoch war in der Vergangenheit seine Subventionierung durch Geld der Allgemeinheit. Ob Finanzhilfen des Bundes, Forschungsförderung, Kosten für die Atommüllendlager Asse II und Morsleben, die Stilllegung der ostdeutschen Atommeiler, Nachlässe bei der Energiebesteuerung, Zusatzeinnahmen der Atommeiler-Betreiber durch den Emissionshandel - die öffentliche Hand hat den privaten Atom-Gewinnen von 1950 bis 2010 mit schlappen 204 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen.
Auch die dreckigen Kohlemeiler der Konzerne wurden mit Steuergeld befeuert, laut Internationalem Währungsfonds allein in Deutschland, dem größten CO2-Verursacherland Europas, jedes Jahr 40,8 Milliarden Dollar. Klimaschäden und Krankheitskosten durch Quecksilber und Kohleabgase aus den Schlöten der Nation wurden fairerweise mit auf die Rechnung gesetzt. Die bis heute als ruinös gebrandmarkte Ökostrom-Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz veranschlagen die IWF-Ökonomen auf schlappe 23,2 Milliarden Dollar in 2015, also gut die Hälfte der Kohlekohle. Der emotionale Schaden abgebaggerter Dörfer mit zehntausenden Vertriebenen wird sich wohl nie in Zahlen fassen lassen.
Jetzt versprechen die Gewinn-Maximierer also eine neue, saubere Welt der Windräder und des Solarstroms, einen Neuanfang. Das ist so rührend wie heuchlerisch. Denn für ihren Atommüll sollen heute - und vor allem morgen - andere blechen. Nichts da mit Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit. Die Große Koalition hat den Energieriesen zu Weihnachten ein historisches Geschenk unter den Vorstands-Villen-Weihnachtsbaum gelegt. Nur 23 Milliarden Euro sollen die Konzerne per Gesetz in einen Fonds einzahlen. Aus dem wird die Endlagerung der strahlenden Altlasten finanziert, deren Kostenkalkulation wie beim Berliner Flughafen sich locker mal verfünffachen können. Niemand weiß, welche Kosten die gefährlichen Atomreste in den nächsten Jahrhunderten verursachen werden.
Doch hat sich die Endlagerkomission unter Leitung des grünen Alt-Umweltministers Jürgen Trittin (die LINKE war ausgeschlossen) zu diesem Kuhhandel erpressen lassen. Die Firmen würden kein Geld haben, wegen der Energiewende, war das Gejammer groß. Und ein untergegangenes Unternehmen könne dann gar nicht mehr für den Atommüll haften, so das ins Angstszenario eingewickelte Totschlagargument.
Doch siehe da: Gesetz beschlossen, Silvester gefeiert, schon weht ein anderer Wind. Gleich im neuen Jahr teilte RWE-Chef Rolf Schmitz mit, man habe da mal in die Bücher geschaut. Und, große Überraschung! Die Erlöse aus dem Innogy-Börsengang reichen für eine satte Sofortzahlung in den Atommüll-Fonds. Die 6,8 Milliarden werden mal eben cash auf den Tisch gelegt. Ratenzahlung nicht nötig. Aktienkurs: Steil nach oben. Der Wunschzettel aus 2016 ist abgearbeitet. Jetzt soll der Ökostrommarkt gekapert werden. 2017 verspricht also einen Neuanfang ganz nach Maß, für die Anzugträger der Profiteure dieses faulen Atomkompromisses. Ach so, die Brennelementesteuer, rund sechs Milliarden Euro, die wird auf Drängen der Atomkraft-Gewinnler ab diesem Januar abgeschafft. Schöne, neue Welt!
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