Grüne wollen schneller abschieben

Anstatt die Maghrebstaaten für »sicher« zu erklären, plädieren viele Politiker der Ökopartei für Rückführabkommen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Winfried Kretschmann ist bei den Grünen für seine Alleingänge bekannt. Nun hat der baden-württembergische Ministerpräsident erneut gefordert, die Maghrebländer Marokko, Algerien und Tunesien zu »sicheren Herkunftsstaaten« zu erklären. Sein grün-schwarz regiertes Bundesland will der Liste zustimmen, sofern das Vorhaben in den Bundesrat eingebracht wird, kündigte Kretschmann in der »Rheinischen Post« an. Politiker der CDU dürften zufrieden sein. Sie fordern die Grünen in den Ländern schon seit Monaten dazu auf, den Beschluss des Bundestags nicht weiter zu blockieren. Die Abstimmung im Bundesrat wurde bereits mehrfach vertagt. Die Große Koalition ist hier auf die Zustimmung von Ländern angewiesen, in denen die Grünen mitregieren.

Die Debatte ist nun aufgewärmt worden, weil der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, Anis Amri, ein ausreisepflichtiger Tunesier war. Zudem waren bei Übergriffen und Diebstählen an Silvester vor einem Jahr in einigen deutschen Großstädten viele Nordafrikaner beteiligt. »Die kriminelle Energie, die von Gruppierungen junger Männer aus diesen Staaten ausgeht, ist bedenklich und muss mit aller Konsequenz bekämpft werden«, sagte Kretschmann.

Allerdings sind die Bundestagsfraktion der Grünen und zahlreiche Landespolitiker dagegen, die Maghrebstaaten für »sicher« zu erklären. Selbst die beiden Bundesvorsitzenden Cem Özdemir und Simone Peter, die oft streiten und erst kürzlich das Vorgehen der Polizei an Silvester in Köln gegen nordafrikanisch aussehende Männer unterschiedlich bewerteten, ziehen bei dieser Frage nun an einem Strang.

Die Argumente der Parteimehrheit fasste der Innenpolitiker Volker Beck am Mittwoch zusammen. »Beschränkungen des Asylrechts taugen nicht zur Kriminalitätsbekämpfung«, erklärte er. Beck warnte vielmehr davor, dass die Betroffenen in kriminelle Strukturen abdriften würden. Denn Menschen aus »sicheren Herkunftsstaaten« dürfen während des Asylverfahrens nicht arbeiten, keine Integrationskurse besuchen und keine Wohnung beziehen. In »unbequemen Massenunterkünften« kämen die Menschen schneller »auf schlechte Gedanken«, so Beck.

Zudem wies er darauf hin, dass man Länder nicht als »sicher« bezeichnen könne, in denen über Folter und Misshandlungen im Polizeigewahrsam berichtet werde, gleichgeschlechtliche Handlungen unter Erwachsenen unter Strafe stehen, Menschenrechtsverteidiger eingeschüchtert werden sowie Frauen weder rechtlich noch faktisch Männern gleichgestellt seien.

Allerdings teilen viele Grüne grundsätzlich das Ziel der Bundesregierung, abgelehnte Asylbewerber aus Nordafrika möglichst zügig wieder abzuschieben. Auch gegen schnelle und somit wohl auch weniger gründliche Asylverfahren für diese Menschen haben zahlreiche Politiker der Ökopartei nichts einzuwenden. Die Anerkennungsquote für Menschen aus den Maghrebstaaten lag vor einigen Monaten zwischen 0,2 Prozent (Tunesien) und 3,7 Prozent (Marokko). Neben Beck betonten führende Grüne aus Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen in diesen Tagen nicht nur, dass sie die Ausweitung der »sicheren Herkunftsstaaten« als »Symbolpolitik« ablehnen, sondern auch, dass Rückführabkommen mit den Maghrebstaaten geschlossen werden müssten, damit diese Länder ihre Staatsbürger schneller wieder zurücknehmen.

Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik und den nordafrikanischen Staaten bestehen bereits. Landespolitiker hatten aber immer wieder kritisiert, dass die Verfahren zu langsam vonstattengingen. Deutschland darf bis zu 25 Tunesier pro Flug in ihr Heimatland zurückschicken. Bei Algerien wurde eine Obergrenze pro Sammelabschiebung von 30 Rückkehrern verabredet. Problematisch ist in einigen Fällen die Klärung der Identität. Die Betroffenen können nur mit Pässen oder Passersatzpapieren in ihre Heimat zurückgeschickt werden.

Politiker von Union und SPD behaupten, dass es in den Maghrebstaaten keine »asylrelevante Verfolgung« gebe. Dagegen wird in der Großen Koalition kontrovers über Abschiebungen von Afghanen diskutiert. Mitte Dezember hatte es erstmals eine Sammelabschiebung von Deutschland aus nach Afghanistan gegeben. Kritisch äußerte sich hierzu nun die Integrationsbeauftragte der Regierung, Aydan Özoguz. »Es entbehrt nicht eines gewissen Zynismus zu sagen, ihr müsst zurück, weil wir eine Stelle in eurem Land gefunden haben, in der gerade mal keine Bomben hochgehen«, sagte die SPD-Politikerin der »Saarbrücker Zeitung«.

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