Mut und Fantasie im Plädoyer

Verteidiger zweier Angeklagter im LAGeSo-Korruptionsprozess fordern geringeres Strafmaß

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Angeklagte Dino J. verliest zum Abschluss eine Erklärung. Darin geht es um seine Mutter, seinen Hund und seine ehemaligen Lebenspartner Oliver W. und Stefan T., die ebenfalls auf der Anklagebank sitzen. Es klingt wie ein Beziehungsdrama. Doch es geht um mögliche Korruption, um Steuer- und Sozialbetrug.

Im Februar 2016 war Stefan T., Referatsleiter im Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), wegen Korruptionsverdachts festgenommen worden. Er soll Schmiergelder von einer Sicherheitsfirma kassiert und dieser bevorzugt Aufträge in Flüchtlingsunterkünften verschafft haben. Im August begann der Prozess gegen T. und drei Inhaber und Mitarbeiter des Unternehmens. Diese sollen mit ihrer Firma und Subunternehmen außerdem Steuern hinterzogen und Sozialabgaben nicht entrichtet haben. Am Montag wurden die letzten beiden Schlussplädoyers gehalten, die Angeklagten sprachen Schlussworte. Das angekündigte Urteil wurde auf kommenden Freitag verschoben.

Die Staatsanwaltschaft fordert für Oliver W., der mit seiner Selbstanzeige bei der Polizei das ganze Verfahren ins Rollen gebracht hatte, insgesamt fünf Jahre Haft. Sein Verteidiger plädierte für lediglich zwei Jahre und begründete das mit W.s »aktiver Mitwirkung an der Aufklärung«. Für ihn spreche außerdem, dass er das Glücksspiel aufgegeben habe, einer geregelten Arbeit nachgehe und daher auch ein festes Einkommen habe.

Der zweite Verteidiger erklärte, sie wollten keinen »Rabatt, ein Sonderangebot« für ihren Mandaten, wie der Staatsanwalt behauptet habe. »Wir wollen, dass das Gesetz richtig angewandt wird, vielleicht ein bisschen mutig, vielleicht ein bisschen fantasievoll.« Ansonsten beschimpfte er in seinem Abschlussplädoyer hauptsächlich die Staatsanwaltschaft und das Gericht. In einem seiner vielen Exkurse beschwerte er sich auch darüber, dass sich das Gericht nicht an der allgemeinen Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlags am Breitscheidplatz beteiligt habe: »Pfui!«

Für Olaf K. hatte die Staatsanwaltschaft drei Jahre Haft gefordert. Seine Verteidiger plädierten dafür, das Strafmaß auf Bewährung auszusetzen. Das geht nur, wenn es nicht über zwei Jahren liegt. Dass K. lediglich Strohmann bzw. Scheingeschäftsführer für W. und J. gewesen sei, habe sich hinlänglich während des Verfahrens gezeigt, sagten die Verteidiger. K. habe praktisch »nichts zu melden« gehabt, sei lediglich »willfähriges Werkzeug« von W. und J. gewesen, ihnen gegenüber »loyal, gutmütig, freundschaftlich« und sei von diesen ausgenutzt worden. Dafür habe er sich bis an sein Lebensende verschuldet.

Der Angeklagte T. beteuerte in seinem Schlusswort seine Unschuld. Den Vorwurf der Bestechlichkeit nannte er »unvorstellbar«. Bereits im Laufe des Prozesses hatten seine Anwälte erklärt, die 51 000 Euro, die bei T. zu Hause gefunden worden waren, seien keine Bestechungsgelder, sondern Teil einer Rückzahlung eines Darlehens, das er seinem damaligen Lebensgefährten J. vor vielen Jahren als Startkapital für die gemeinsame Firma gegeben hatte.

J., für den die Staatsanwaltschaft siebeneinhalb Jahre Haft fordert, entschuldigte sich in seinem Schlusswort bei den Mitangeklagten, sie in seine Machenschaften mit hineingezogen zu haben. Außerdem entschuldigte er sich bei allen Mitarbeitern und Kunden der Firma. »Ich stehe zu allem, was ich getan habe.« Er habe nun nicht nur millionenschwere Schulden, sondern über die Geschichte seinen Vater verloren, dessen Beerdigung er wegen seiner Haft nicht beiwohnen konnte. Er habe seine Mutter enttäuscht, die er um ihre Ersparnisse gebracht habe. Auch seinen Hund, den er am Morgen seiner Festnahme zum Tierarzt gebracht hatte, habe er nicht wiedergesehen.

Das Gericht hat am Freitag über mögliche Korruption, Steuerhinterziehung und Sozialbetrug zu entscheiden. Für die Angeklagten ist es schon jetzt ein menschliches Drama.

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