Es lebe die Hirnlosigkeit!

Die TV-Serie »Braindead« ist ein wilder und intelligenter Genremix

  • Miriam Sachs
  • Lesedauer: 3 Min.

Es beginnt im Stimmengewirr des US-Wahlkampfs, verschiedenste Sender laufen gleichzeitig und die Protagonisten darin - Clinton und Trump - reden sich kreuzweise in Rage. Darüber liegt die Botschaft: Im Jahre 2016 sah man in zunehmendem Maße, Menschen den Verstand verlieren - und keiner wusste warum!

Laurel (Mary Elizabeth Winstead), Heldin der Polit-Satire-Alien-Drama-Comedy »Braindead«, starrt auf die Bildschirme. Sie ist Dokumentarfilmerin und ließe ihr Herzblut lieber in Projekte über das Verschwinden malaysischen Chorgesangs fließen, muss aber mangels Finanzierung für ihren Bruder Luke arbeiten, einen demokratischen Senator. Schon bald stolpert sie über das »Warum«, das die Hirnlosigkeit rund ums weiße Haus erklärt: Washington ist von einer außerirdischen Invasion bedroht, eingeschleppt per Meteoriteneinschlag. Eine ameisenähnliche Intelligenz dringt über die Gehörgänge ins menschliche Hirn und frisst ganze Partitionen weg. Bevorzugte Zielgruppe: Leute rund ums Capitol. Bei manchen explodiert daraufhin der Kopf, andere fühlen sich erleichtert und werden fanatische Republikaner. Die eingeschränkte Gehirntätigkeit fällt in der Politszene jedoch nicht weiter auf. Nebenwirkung: Die Befallenen leben plötzlich exzessiv vegan und hören bevorzugt den Cars-Song »You might think«.

Die CBS-Serie ist ein herrlicher Genremix - das beginnt schon beim Was-Bisher-Geschah. Da man die meist zusammenhanglosen Bilder-Potpourris oft sowieso nicht kapiert, kann man das Recap ebensogut singen. Info via Ohrwurm! Selbstironie prägt »Braindead« - die Serie setzt nicht auf Action, sondern auf Identifikation. Das Spiel mit Wohlbekanntem hat sie vielen Alienserien voraus: Erfahrungen mit großäugigen Aliens hatte bisher nur ein geringer Prozentsatz der Menschheit (und attackierende Marsianer assoziieren irgendwie meistens Halloween). Ameisenstraßen aber, die durch die eigene Wohnung führen, sind ein Horror diesseits des eigenen Erlebnishorizontes. Gustav (Johnny Ray Gill), mitstreitender Verschwörungstheoretiker, der sich später als NSA-Agent entpuppt, empfiehlt Kopfhörer und Klebeband gegen die parasitäre Intelligenz. Befallen werden die Leute natürlich trotzdem.

So zum Beispiel Senator Red Wheatus, Republikaner und Alkoholiker, dem alles wurscht ist, insbesondere Politik. Dem Schauspieler (Monk-Darsteller Tony Shaloub) dabei zuzusehen, wie er ganze Teile seines Gehirns einbüßt (sie fallen als rötlicher Glibber aus seinem Ohr und zerplatzen wie Seifenblasen, als er sie in seliger Erleichterung mit dem Finger anstupst), ist ebenso faszinierend wie die darauffolgende Hyperaktivität. Red legt sich nicht nur politisch ins Zeug (die Umbenennung der Kongress-Imbissbude in Ronald-Reagan-Pavillion ist nur der Anfang), sondern geht über Leichen, deren Gehirne er für die Parasiten in Tupperware aufbewahrt. Albern? Ja, auch ...

Als die erste Folge von »Braindead« (zu deutsch »gehirntot«) Mitte Juni in Amerika anlief, stand Donald Trumps Kandidatur bereits seit über einem Monat fest, der Wahlkampf hatte begonnen, der Wahnsinn nahm seinen Lauf. Den Machern der Serie - Robert und Michelle King, bekannt für die erfolgreiche Polit-Herz-Dramaserie »The Good Wife« - ist eine hinreißende Satire gelungen über Territorialkämpfe im Kleinen und Großen; sie handelt von Schleich- und Umwegen, abstrusen Praktiken, Paragraphen-Reitereien, gibt dabei aber mehr Einblick ins Kleingedruckte der Politik als manch andere Polit-Serie. Und spiegelt die schreckliche aktuelle Erkenntnis wieder, dass es völlig reicht, ein paar Wenige zu manipulieren, um ein ganzes Land zu unterwandern. Die erste Staffel endete hoffnungsvoll: Die Zukunft erschien kurzzeitig so rosig wie die Kirschblüten (Nistplätze der Aliens), die am Ende in einem Blütenregen herniederkamen über die Welt ums weiße Haus. Leider folgt keine Fortsetzung. »Braindead« ist tot (aber immer noch sehenswert) - es lebe die wahre Hirnlosigkeit.

Verfügbar bei Netflix

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