Rot warnt vor Schmuddelküchen

Niedersachsen will Hygiene-Signet für Gaststätten testen - Gastronomenverband wehrt sich

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Der schmuddelige Koch, dem die fast aufgerauchte Zigarette aus dem Mund auf die Pizza gefallen ist, walzt die Kippe in den Teig; der Gast wird’s dank scharfer Gewürze schon nicht merken! Diese Szene wurde in der bekannten Filmkomödie »Brust oder Keule« mit Louis des Funès viel belacht. Gäbe es das Restaurant mit der ekligen Küche in der Realität - etwa in Hannover -, wäre es Anwärter auf ein warnendes Rot der Hygiene-Ampel, die im Frühjahr in Niesersachsens Hauptstadt sowie in Braunschweig und Celle von mehr oder weniger Sauberkeit künden soll.

Die vom Niedersächsischen Agrarministerium initiierte Aktion, sie läuft zunächst testweise, beginnt im Frühjahr in den drei Städten. Zur Mitte des Jahres soll sie auf das ganze Bundesland ausgedehnt werden. Für die Gastronomen ist die Teilnahme freiwillig. Noch steht nicht fest, wie das Hygiene-Signal gestaltet wird. Vielleicht als Ampel, die im Fenster des Lokals mit Grün signalisiert »hier ist alles sauber«, mit Gelb auf geringe und mit Rot auf schwerwiegende Mängel hinweist. Auch »Hygiene-Barometer« mit Benotung wie auf Schulzeugnissen sind denkbar.

Grundlage für die erste Einstufung sind die jüngsten Ergebnisse amtlicher Kontrollen in den jeweiligen Betrieben. Doch nicht allein für Gaststätten plant Agrarminister Christian Meyer (Grüne) das Sauberkeits-Signet. »Es ist höchste Zeit, dass die Kunden an der Eingangstür erkennen können, wie es um die Hygiene in Restaurants, Schlachtereien oder Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung bestellt ist.« So zitiert die »Neue Osnabrücker Zeitung« den auch für Verbraucherschutz zuständigen Politiker. Meyers Vorstoß befürworten werden jene Verbraucher, denen Berichte aus Ekelküchen immer wieder mal den Appetit verderben. Schilderungen von Kontrolleuren etwa, die bei schwarzen Schafen unter den Wirten schimmeliges Gemüse, vergammeltes Fleisch oder Mäusekot entdeckten.

Auf Widerstand dagegen stößt Meyer beim Gastronomenverband Dehoga. Der befürchtet, dass Betriebe mit gelber oder roter Ampel »auf Dauer stigmatisiert werden«. Es gebe zu wenig Lebensmittelkontrolleure, und deshalb könne »das Ergebnis einer Momentaufnahme« über Wochen und Monate öffentlich aushängen, obwohl längst alle Mängel beseitigt sind. Das sei rechtlich bedenklich.

An rechtlichen Bedenken könnte Christian Meyers Aktion tatsächlich womöglich scheitern. So wie es vor wenigen Wochen seinem Amtskollegen Johannes Remmel (Grüne) in Nordrhein-Westfalen widerfuhr. Wirte hatten gegen das dort testweise laufende »Gastro-Kontrollbarometer« geklagt - mit Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Münster stoppte den Test und urteilte: Im Verbraucherinformationsgesetz des Bundes gebe es keine Grundlage für eine Weitergabe amtlicher Kontrollergebnisse. Remmel strebt nun weiter an, auf Landesebene ein Gesetz zu schaffen, welches das »Barometer« zur Pflicht machen könnte.

Einen Dämpfer in punkto Hygiene-Transparenz hatte Berlin schon 2014 von der Justiz bekommen. Der Bezirk Pankow musste Ergebnisse von Lokalkontrollen aus dem Internet nehmen, nachdem Verwaltungsrichter ähnlich geurteilt hatten wie ihre Kollegen in Münster.

Klarheit brächte eine bundeseinheitliche Regelung, über die seit 2011 diskutiert wird. Doch aus dem Haus vom Bundesjustiz- und Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD) gibt es noch immer keinen Gesetzentwurf zu Ampel, Barometer oder sonst einer Kennzeichnung, die im Idealfall signalisiert: Nicht nur im Gastraum, auch in der Küche ist es sauber.

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