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Somuncu nannte WDR eine »Keimzelle des Faschismus«

Redakteurin des Westdeutschen Rundfunks verklagt Satiriker wegen umstrittener Äußerung / Erneute Debatte über die Kunstfreiheit

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Beim Vorwurf der Zensur handelte es sich einst um ein scharfes Schwert, was in Zeiten pegidiotischer Lügenpressevorwürfe hierzulande zu einer stumpfen, inflationären Kritik verkommt. Zensur? Darunter wird laut Grundgesetz streng genommen ein Verfahren verstanden, wonach eine Information vor ihrer Veröffentlichung von einer staatlichen Stelle abgenickt werden muss. Das ist in Deutschland verboten.

Von rechten Verschwörungstheoretikern abgesehen, die behaupten, in deutschen Redaktionsstuben erfolge die Direktive aus dem Kanzleramt, dem NATO-Hauptquartier, aus Washington oder vom Mossad, wird der Zensurvorwurf inzwischen oft bereits erhoben, wenn eine Meinung von einer Zeitung oder einem TV-Sender nicht veröffentlicht wird.

Komplizierter wird die Angelegenheit, wenn es sich bei den Äußerungen um Satire handelt, eine Kunstform, die von der zugespitzten Äußerung lebt. Unter diesem Blickwinkel spielt sich dieser Tage ein juristischer Streit zwischen Serdar Somuncu und dem WDR ab. Der Satiriker wird von einer Redakteurin des Senders wegen »schwerer Beleidigung« verklagt. Anlass dafür sind Äußerungen Somuncus auf einer Podiumsdiskussion der Körber-Stiftung im Jahr 2015, wonach fast alle seine TV-Auftritte zensiert worden seien, das heißt, besonders zugespitzte Passagen seien dem Schnitt zum Opfer gefallen. Namentlich an eine WDR-Redakteurin gerichtet, wütete er: »Diese Arschlöcher nehmen sich raus, im Namen der Gebührenzahler, uns zu zensieren. Und das war für mich die Keimzelle des Faschismus.« Auf tagesspiegel.de wies eine Sendersprecherin den Vorwurf zurück: »Wer das als Zensur bezeichnet, setzt unsere Medienlandschaft mit derer totalitärer Staaten gleich.« Gleichzeitig teilte der WDR mit, die Klage seiner Mitarbeiterin zu unterstützen.

Das Verfahren muss klären, ob Somuncus Äußerungen im Sinne einer Privatäußerung und damit möglicherweise als Beleidigung zu werten sind oder der Auftritt doch unter die Kunstfreiheit fällt. Letzteres vermutet Julia Bähr auf faz.net: Wer sich das komplette Video der Diskussion anschaue, dem falle auf, »dass Somuncu durchgehend polemisiert und pöbelt, dass, was auch immer man davon halten mag, der Ton eindeutig zur Form seines Auftritts als Satiriker gehört.« Markus Ehrenberg und Joachim Huber vertreten bei tagesspiegel.de die These, wonach TV-Satire immer schärfer werde und »damit immer mehr ein schmaler (Klage-)Grat« entstehe. Auf jeden Fall stehe nun eine »neue Diskussion über Meinungs- und Satirefreiheit« bevor.

Tatsächlich wäre diese (erneute) Debatte ausgeblieben, hätte Somuncu seine Kritik anders formuliert, ist sie im Kern doch diskussionwürdig. Letztlich ging es ihm wohl um ein Plädoyer, die Kunstfreiheit so weit wie möglich auszulegen und die Forderung, Redaktionen müssten Mut zeigen und nicht der Angst unterliegen, aus Rücksicht auf gesellschaftliche Stimmungen in Selbstzensur zu verfallen. Doch für einen für seine markigen Formulierungen bekannten Künstler wäre eine Formulierung wie »Wehret den Anfängen« nur halb so plakativ gewesen wie eine fragwürdige Faschismusanspielung.

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