Zwei Schlappen für CETA-Kritiker
Eilanträge in Karlsruhe erfolglos / Umweltausschuss im Europaparlament für Abkommen
Mehrere Kläger sind in Karlsruhe erneut mit Eilanträgen zum umstrittenen Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) gescheitert. Am Donnerstag veröffentlichte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts seinen Beschluss und stellt darin fest, dass »die Bundesregierung die vorgegebenen Maßgaben vor der Zustimmung zu den Beschlüssen über die Unterzeichnung und die vorläufige Anwendung von CETA umgesetzt hat«.
Die Auflagen hatte das Gericht in seinem CETA-Urteil im Oktober vergangenen Jahres Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit auf den Weg gegeben. Demnach kann die Bundesregierung das Abkommen unterzeichnen, wenn sichergestellt ist, dass Deutschland aus CETA wieder aussteigen kann, falls es dazu durch ein späteres Urteil in der Hauptsache gezwungen wird. Damit setze Karlsruhe eine »wichtige Interpretationsvorgabe«, so der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, Klaus Ernst. Er verwies darauf, dass die EU-Kommission und der Juristische Dienst des Europäischen Parlaments in dieser Frage gegensätzliche Rechtsauffassungen gegenüber dem Bundesverfassungsgericht vertreten. In Brüssel sei man der Ansicht, die letztendliche Entscheidung zur Beendigung der vorläufigen Anwendung obliege dem EU-Rat. Ernst kündigte einen entsprechenden Antrag zu CETA vor dem Europäischen Gerichtshof an.
Eine weitere Auflage aus Karlsruhe ist, dass der »Gemischte Ausschuss« kein Eigenleben entwickeln darf. Nach den bisherigen Vorgaben soll dieses aus Beamten bestehende Gremium laufende oder zu erwartende Regulierungsvorhaben daraufhin prüfen, ob sie Handelsinteressen beeinträchtigen könnten - noch bevor Parlamente und Öffentlichkeit sich damit auseinandergesetzt haben. Eine dritte Maßgabe verlangt, dass vorerst nur die Teile von CETA anwendbar sind, die in die EU-Zuständigkeit fallen.
Alle diese Vorgaben habe die Bundesregierung völkerrechtlich verbindlich durch ein Zusatzprotokoll umsetzen können, so die Richter. Eben diese Auffassung teilen die Kläger - darunter die LINKE im Bundestag und ein Aktionsbündnis mit mehr als 125 000 Unterstützern - nicht. Pia Eberhardt von der Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory erklärte die Zusatzerklärung zur »reinen PR-Nummer«. So sei darin zwar festgelegt, dass Regierungen Gesetze ändern dürften, selbst wenn Investoren negativ davon betroffen sind. Klagen auf Schadenersatz in Milliardenhöhe seien jedoch weiterhin möglich.
Auch im Europäischen Parlament hat CETA am Donnerstag eine weitere Hürde genommen. Überraschend stimmte der Umweltausschuss des Parlaments in Brüssel mit großer Mehrheit für das Abkommen. 40 der Europaabgeordneten sprachen sich dafür, 24 dagegen aus, ein Parlamentarier enthielt sich. Ursprünglich hatte der Ausschuss eine Ablehnung anvisiert, unter anderem aus Sorge um das sogenannte Vorsorgeprinzip. In der EU gilt: Lassen wissenschaftliche Daten keine umfassende Risikobewertung eines Produkts zu, können Verkaufsverbote und Rückrufe verhängt werden. Das in Kanada geltende »Wissenschaftsprinzip« besagt hingegen, dass ein Produkt als sicher gilt, sofern nicht wissenschaftliche Studien das Gegenteil beweisen. Ein »schwarzer Tag für die Umwelt«, kommentierte Martin Häusling, Mitglied im Umweltausschuss für die Grünen/EFA: »Die Mehrheit der Abgeordneten im Umweltausschuss hat heute eine Chance verpasst, sich für den Schutz von Umwelt und Verbrauchern einzusetzen.« Das Umweltinstitut München kommentierte die Entscheidung über den Kurznachrichtendienst Twitter: »Enttäuschend, da das Abkommen gerade auch den Umweltschutz gefährdet.« Der Verband der Chemischen Industrie sprach dagegen von einem »guten Signal«.
CETA war trotz breiter Proteste im Oktober von der EU und Kanada unterzeichnet worden. Das Europaparlament soll im Februar über die vorläufige Anwendung entscheiden. Damit CETA in Kraft treten kann, müssen noch die nationalen Parlamente der 28 EU-Mitgliedstaaten ihre Zustimmung geben.
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