Es wird zurück getreten!

Für Lisa Vollmer bedeutet der erzwungene Abgang des Berliner Staatssekretärs Holm nicht das Ende der Mietenbewegung

  • Lisa Vollmer
  • Lesedauer: 3 Min.

Andrej Holm wurde zurückgetreten. Aufmerksamen Beobachtern ist dabei nicht entgangen, warum er gehen musste. Ein Interesse an einer wirklichen Diskussion und Aufarbeitung von Stasivergangenheit, deutsch-deutscher Geschichte und gesellschaftlichem Umgang mit Ostbiografien bestand offensichtlich nicht. Vielmehr zeigte die mediale Debatte, worum es eigentlich ging: einen linken Politiker und seine Ideen einer nicht an Verwertung orientierten Wohnungspolitik zu verhindern.

Das zeigte sich schon daran, wie von Vorwurf zu Vorwurf gesprungen wurde, sobald einer entkräftet schien. Am Anfang war es noch die eigentliche Anstellung beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS), die zur Untauglichkeitserklärung herangezogen wurde. Nachdem klar wurde, dass dieses Argument bei einem 18-Jährigen nicht funktionieren kann, musste die angebliche Lüge im Einstellungsfragebogen der Humboldt-Universität herhalten, um Holms falsche Gesinnung zu bestätigen. Diese ohnehin entpolitisierte arbeitsrechtliche Entscheidung wollte man, anders als zugesagt, am Ende auch nicht mehr abwarten. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller forderte dann ohne vorherige Absprache öffentlich Holms Rücktritt. Von der Berliner SPD ist man derartiges Durchregieren gewöhnt. Dass Grüne und LINKE hier einknicken, lässt nichts Gutes für die rot-rot-grüne Koalition erwarten. Die Linkspartei selbst hat das Versprechen auf eine Neuausrichtung der Berliner Wohnungspolitik mit der Personalie Andrej Holm verbunden. Dieses Versprechen hat nun deutlich an Glaubwürdigkeit verloren.

Die Autorin

Lisa Vollmer ist wissenschaft- liche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Urbanistik der Bauhaus-Universität Weimar.

Der Rücktritt Holms war keineswegs unvermeidlich. Der rot-rot-grüne Senat hat von den Berliner_innen das Mandat erhalten, für eine andere Wohnungspolitik zu sorgen. Zu sorgen scheint die SPD sich aber vor allem, wie eine nicht profitorientierte Wohnungspolitik bei Investoren ankommen könnte. SPD und Grüne hätten sich von Anfang an hinter Holm und seine politischen Forderungen stellen müssen, wenn sie es mit den mietenpolitischen Positionen in der Koalitionsvereinbarung ernst gemeint hätten.

Auch die Linkspartei reagierte defensiv auf immer neue Vorwürfe, anstatt offensiv ihre neue Wohnungspolitik zu verteidigen und mit einem differenzierten Umgang mit Holms MfS-Tätigkeit Kritikern der Partei zu begegnen. Letztlich ließ sie Holm keine Wahl als zurückzutreten, wenn er nicht die alleinige Verantwortung für ein Platzen der Koalition auf sich nehmen wollte. Politisch verantwortungsvolles Handeln sieht anders aus. Wenn man schon vor dem Druck der Koalitionäre einknickt, wie stellt man sich dann Verhandlungen mit der Immobilienwirtschaft vor?

Aus Sicht vieler stadtpolitischer Initiativen bestätigt sich, was ohnehin klar war: Ohne Druck von unten läuft in der Berliner Wohnungspolitik für Geringverdiener_innen und Marginalisierte überhaupt nichts. Auch mit Holm wäre dieser Druck weiter nötig gewesen, wie er selbst betont hat.

Die mietenpolitische Bewegung hat sich schon immer als außerparlamentarisch verstanden. Schließlich hatte man ausreichend Erfahrungen mit allen möglichen Regierungskoalitionen gemacht - nicht zuletzt auch mit der letzten rot-roten, die die Privatisierung zehntausender städtischer Wohnungen zu verantworten hat. Dennoch hatte sich mit Holm die Chance verbunden, wichtige Forderungen der Bewegung würden nun an prominenter Stelle innerhalb der Regierung vertreten. Nicht zuletzt war der Stadtsoziologe immer ein aktiver Unterstützer der mietenpolitischen Bewegung. Vor allem hatte man die Hoffnung auf eine bessere Kommunikation zwischen der Senatsverwaltung und den Initiativen durch einen Verbündeten in der Verwaltung. Bewegungsforderungen sind in der Vergangenheit - zum Beispiel in Form von Volksentscheiden - immer gegen den Willen der Regierenden und unter deren massiven Angriffen durchgesetzt worden. Nun schien einer »aus der Bewegung« für einen produktiveren Austausch sorgen zu können - ohne dass die Initiativen die außerparlamentarische Opposition hätten verlassen müssen.

Alle drei Regierungsparteien haben mit dem erzwungenen Rücktritt Holms gezeigt, dass sie wenig Wert auf eine bessere Kommunikation legen. Das ist eine verpasste Chance, aber für die Bewegung kein Beinbruch. Alle, die weiterhin eine renditeorientierte Stadtpolitik betreiben wollen, können sich darauf einstellen - es wird zurück getreten!

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