Höcke setzt weiter auf Nazi-Jargon
Thüringer AfD-Landeschef sorgt mit Äußerungen über Holocaust-Gedenken für Empörung / LINKE stellt Strafanzeige wegen Volksverhetzung
Björn Höcke weiß sich zu inszenieren. Er beherrscht das mediale Wechselspiel zwischen Zurückhaltung und kalkulierter Stimmungsmache. Noch Ende Dezember gab sich Thüringens AfD-Chef bei einer rechten Gedenkveranstaltung für die Opfer des Berliner Terroranschlags als Politiker, der sich in Trauer um die Toten zeigt.
Am Dienstagabend erleben die Zuhörer im Dresdner »Ballhaus Watzke« den anderen Höcke - den AfD-Politiker, der mit tiefen Zorn und aggressiver Verachtung die deutsche Erinnerungspolitik völlig über Bord zu werfen gedenkt. »Die Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat«, sagt er in Anspielung auf das Berliner Holcaust-Mahnmal. Höcke gibt zu erkennen: Sind Deutsche Opfer, wie nach dem letzten Attentat, wird von ihm Trauer getragen. Waren Millionen Deutsche dagegen Täter, dann steht der bei Rechtsradikalen oft formulierte Vorwurf des »Schuldkultes« im Raum. Ein Begriff, den besonders die NPD prägte.
Da wundert es nicht, dass Höcke als Ort für seine Brandrede Dresden wählte, noch dazu einen Festsaal, der den Mief der Vergangenheit atmet. Die »Junge Alternative« (JA) hatte den völkischen Nationalisten in die »Hauptstadt des Widerstands« eingeladen. Gemeint ist Pegida, die passenderweise an diesem Abend den Saalschutz organisieren. Mit dabei ist zum wiederholten Mal der neurechte Chefideologe Götz Kubitschek. Jürgen Elsässers »Compact«-Magazin organisiert einen Livestream.
Darüber können auch Zuhörer jenseits des Saals verfolgen, wie Höcke sich in Rage redend munter beim NS-Vokabular bedient und mit Anspielungen auf die Nazi-Dikatatur um sich wirft. »Ich zeige euch den langen entbehrungsreichen Weg zum absoluten Sieg! Denn die AfD braucht den absoluten Sieg!« Die bekannte Rede des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäckers im Jahr 1985 zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs nennt Höcke eine »Rede gegen das eigene Volk«. Weizsäcker hatte damals von einer kollektiven Verantwortung der Deutschen für die NS-Verbrechen gesprochen. Sachsens Grünen-Landeschef Jürgen Kasek erklärt später, es sei relativ deutlich, dass sich Höcke »im Stil des Nationalsozialismus« äußerte.
Am Dienstag sind mögliche juristische Konsequenzen für Höcke weit weg. Der Saal tobt, feiert den AfD-Mann, niemand widerspricht dieser Brandrede, in der es auch heißt, der deutsche Gemütszustand sei bis jetzt jener »eines brutal besiegten Volkes«.
Draußen vor dem Ballhaus protestierten 200 Menschen gegen die AfD-Veranstaltung. Journalisten erhalten teilweise keinen Zutritt.
Der Termin am Dienstag gleicht einem permanenten Tabubruch. Auch wenn es Höcke nicht zugeben würde: Er befindet sich auf einem Kurs mit dem Parteivorstand. Der hatte im Dezember ein Strategiepapier beschlossen, wonach mit »sorgfältig geplanten Provokationen« unfaire Reaktionen beim politischen Gegner hervorgerufen werden sollen.
Ein Schweigen zu Höckes Aussagen zur deutschen Geschichte hätte verwundert. SPD-Vize Ralf Stegner schreibt auf Twitter von einer »Hetz-Rede« und fordert: »Null Einfluss für das Neonazipack!« Grünenchefin Simoe Peter erklärt: »Die AfD muss sich unmissverständlich davon distanzieren und sich bei unseren jüdischen Freundinnen und Freunden entschuldigen.« Der LINKEN-Politiker Diether Dehm spricht in Anspielung auf das gescheiterte NPD-Verbot aus, was viele Beobachter denken: »Am Tag der traurigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeigt Höcke, offensichtlich ermuntert, wo Geschichtsrevisionisten und rechtsextreme Chauvinisten ihr neues Zuhause finden sollen: bei der AfD«, so Dehm, der eine Strafanzeige stellte. Auch Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch wenden sich an die Justiz. Sie sagen: Höckes Äußerungen waren »schlicht Nazi-Diktion«.
Höcke lässt keine Gelegenheit aus, um zu zeigen, dass die AfD der NPD auch in Sachsen längst den Rang als führende rechtsradikale Kraft abgelaufen hat. Sein Vergleich, wonach ihn die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki erinnerte, hätte auch eine geschichtsverfälschende Provokation der NPD sein können.
Nur: Bisher gab es für Höcke weder juristische noch parteipolitische Kosequenzen. Auch nicht 2015 nach seiner rassistischen Rede zum »afrikanischen Ausbreitungstyp«. Dass es jetzt anders kommt, ist fraglich.
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