Schmerzhaftes Ende
Ohne ihre alternden Helden waren Polens Handballer die Enttäuschung der WM
Vor zwei Jahren gewannen Polens Handballer bei der Weltmeisterschaft in Katar die Bronzemedaille. Unter Trainer Michael Biegler hatte sich die Mannschaft, deren beste Zeit schon hinter ihr lag, noch einmal zu einer Großtat aufgeschwungen. Bei der WM in Frankreich waren die Abnutzungserscheinungen nun aber nicht mehr zu kaschieren, die Polen sind die große Enttäuschung der ersten Turnierphase und treten ab heute im Presidents-Cup an, dem »Cup der Verlierer« bei einer WM. Die Gegner der Polen heißen jetzt Bahrain und Angola anstatt Kroatien und Deutschland.
Für Mateusz Jachlewski hätte das letzte Vorrundenspiel bei der Weltmeisterschaft noch mal ein schönes Erlebnis sein sollen. In Nantes war trat er mit der polnischen Mannschaft gegen die Gastgeber angetreten. Die Stimmung war fantastisch, doch Jachlewski konnte sie nicht genießen. Schon vor dem Duell gegen die Franzosen hatten die Polen das Achtelfinale verpasst gehabt. Die Runde der letzten 16 war das Minimalziel, doch selbst dazu waren ihre Leistungen diesmal nicht gut genug. »Diese WM war eine Enttäuschung«, sagte der 32-Jährige dann nach dem Duell gegen die Franzosen, das mit dem knappen 25:26 die vierte Niederlage im fünften WM-Spiel gebracht hatte.
Als Jachlewski nach dem Einmarsch in die Halle mit seinen Teamkameraden nebeneinander aufgereiht stand, hätte ein Blick nach links und rechts genügt, um zu verstehen, warum es nicht mehr läuft für die Nation, die bei der Weltmeisterschaft vor zehn Jahren in Deutschland in den Kreis der Spitzennationen aufgestiegen war. Damals wurde sie Vizeweltmeister. Fortan gab es einen festen Kern der Mannschaft, die 2010 EM-Bronze holte, 2015 WM-Dritte wurde und bei den Olympischen Spielen vor ein paar Monaten als Vierte Edelmetall nur knapp verpasste Als Jachlewski in Nantes auf das Abspielen der Nationalhymnen wartete, war er jedoch alleine aus dem Kreis jener Spieler übrig geblieben, die 2007 das Finale gegen Deutschland gespielt hatten. Die Akteure der großen Generation sind abgetreten, oder fehlen verletzt und sind im Spätherbst der eigenen Laufbahn.
»Polen wird einen neuen Weg gehen müssen«, sagt Talant Duschebajew. Der weitgereiste Trainer ist seit Beginn des Jahres Trainer der Polen. Als Vereinscoach hat er alle großen Titel gewonnen, mit Ciudad Real dominierte er den europäischen Handball über Jahre, zuletzt siegte er mit dem polnischen Dauermeister KS Kielce in der Champions League. Duschebajew ist ein anerkannter Fachmann, aber auch er konnte den Absturz der Polen nicht aufhalten.
Unerwartet kommt der nicht, denn im Kader stehen nicht mehr Karol Bielecki, die Jurecki-Brüder oder Slawomir Szmal. Sie alle waren internationale Topspieler, Torwart Szmal 2009 sogar Welthandballer. In Frankreich besteht das Team nun aus Unbekannten, die nicht an das Niveau heranreichen und hinter den Stars jahrelang in der zweiten Reihe versauerten. Auch Jachlewski gehörte immer mal zu denen. »Es ist traurig, dass wir hier so schlecht spielen. Das war unwürdig«, sagte der Linksaußen und entschuldigte sich bei den Anhängern zuhause.
In der Heimat wurden die Niederlagen allerdings recht teilnahmslos hingenommen. Das Herz der polnischen Handballfans war bereits vor einem Jahr gebrochen worden. Die Europameisterschaft im eigenen Land hatte für die polnische Mannschaft zum Jubelmarsch und für ihre Fans zur Riesenparty werden sollen. Die ersten Partien liefen auch wie erwartet, so dass die Polen kurz vor dem Einzug ins Halbfinale standen. In der letzten Begegnung der Hauptrunde gegen Kroatien konnten sie sich eine Niederlage mit sechs Toren Differenz erlauben, um in die Medaillenrunde zu kommen - und verloren 23:37!
Von diesem Schock haben sich die Fans bis heute nicht wieder erholt - und für die Spieler bedeutete die Pleite die größtmögliche Enttäuschung. Mit Blick auf die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro sammelten sie danach zwar noch einmal die allerletzten Reserven. Doch jetzt ist die Zeit für den Neuaufbau gekommen. Die WM in Frankreich hat gezeigt, dass er noch einige Zeit dauern wird.
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