EDF nimmt Entschädigung aus Paris an
Schließung von AKW Fessenheim umstritten
Der Aufsichtsrat des Energiekonzerns Electricité de France (EDF) hat am Dienstag beschlossen, das Angebot des Staates für eine Entschädigung für die Schließung des Kernkraftwerks Fessenheim im Elsass anzunehmen. Dabei werden über mehrere Jahre verteilt insgesamt 446 Millionen Euro in Aussicht gestellt, davon 100 Millionen sofort bei der Schließung.
Für diese sind damit die Weichen gestellt, auch wenn sich die Beschäftigten noch einmal in den vergangenen Tagen mit einem Streik sowie mit Demonstrationen und Straßenblockaden in Fessenheim dagegen stemmten, wobei sie von der örtlichen Bevölkerung unterstützt wurden. Auch im Aufsichtsrat haben alle sechs Vertreter der Belegschaft geschlossen dagegen gestimmt, während sich die sechs Vertreter des Staates, der 85 Prozent der Anteile des Konzerns hält, wegen Interessenkonflikts der Stimme enthalten mussten, so dass die Stimmen der unabhängigen Mitglieder und des Vorstandsvorsitzenden Jean-Bernard Levy den Ausschlag gaben.
Diese brisante Entscheidung fällt nur drei Monate vor dem Ende der fünfjährigen Amtszeit von Präsident François Hollande, der die Schließung des ältesten und besonders störanfälligen AKWs im Wahlkampf 2012 versprochen hatte. Gleichzeitig kündigte er damals eine Energiewende und die Senkung des Anteils der Kernkraft bei der Stromerzeugung von 75 Prozent auf 50 Prozent im Jahre 2025 an. Dass dieses ambitionierte Ziel heute völlig utopisch ist, steht außer Frage. Aber selbst den Einstieg in diese Wende mit der symbolträchtigen Schließung von Fessenheim hat Hollande Jahr für Jahr hinausgeschoben.
Atomkraftgegner wiesen wiederholt auf technische Mängel hin. Dagegen erklärte die Behörde für Reaktorsicherheit, der Zustand von Fessenheim sei besser als beim Durchschnitt der 59 französischen Kernkraftwerke, vor allem seit EDF nach dem Unglück von Fukushima hier 40 Millionen Euro in die Modernisierung der Anlagen investierte und damit eine Laufzeitverlängerung um zehn Jahre erreichte. Allerdings wird der Atomaufsicht vorgeworfen, einen schweren Störfall im April 2014 vertuscht zu haben.
Dass es Fessenheim treffen soll, sehen Kernkraftbefürworter als rein politische Entscheidung an. Die Regierung wollte mit dem 1978 in Betrieb genommenen AKW beginnen, weil das Atomkraftwerk im Elsass in der unmittelbaren Nähe Deutschlands und der Schweiz steht, wo seit Jahren die Schließung von Fessenheim gefordert wird. In Frankreich hingegen ist die Zustimmung zur Kernkraft ungebrochen und die Gewerkschaften machen sich lediglich stark für die Verteidigung der Arbeitsplätze, während Atomkraftgegner kaum Resonanz finden. Auch Claude Brender, der parteilose Bürgermeister von Fessenheim, fürchtet die Folgen der Schließung des AKW für die Kommunalfinanzen und den örtlichen Einzelhandel. Die 2000 Beschäftigten im Kernkraftwerk und von ihm abhängigen Serviceunternehmen machen vor Ort die Hälfte aller Arbeitsplätze aus.
Was nach Ansicht der Betroffenen das Ende des Kernkraftwerks bedeuten würde, wurde am Montagabend schon mal demonstriert: Alle Straßenlampen verloschen, die Geschäfte ließen die Rollos herab und Fessenheim versank in Finsternis und Stille. Alle Hoffnungen der Beschäftigten und der Bevölkerung richtet sich jetzt auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl und den Kandidaten der Rechten: François Fillon lässt im Wahlkampf keinen Zweifel an seiner Ablehnung der sozialistischen Energiewendepläne.
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