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Frankreichs Sozialisten vor der Richtungsentscheidung

Vorwahl-Duell zur Präsidentschaftswahl brachte Flügelkampf zu Tage / Größter Streit bei Fragen des Arbeitsrechts und in Migrationspolitik

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

In der letzten TV-Debatte vor der entscheidenden Runde der Vorwahl der Parti Socialiste (PS) untermauerte Ex-Premier Manuel Valls seinen Machtanspruch. Vier Tage vor der Abstimmung zwischen Valls und Benoît Hamon, der aus der ersten Runde am vergangenen Sonntag als Bestplatzierter hervorging, war deutlich zu spüren, dass sich Valls im Hintertreffen fühlt und in der Debatte den Favoriten Hamon wiederholt zu destabilisieren versuchte - allerdings ohne Erfolg.

Es geht um viel: Derjenige von beiden, der sich am kommenden Sonntag durchsetzt, wird der offizielle Kandidat der PS bei der in 100 Tagen beginnenden Präsidentschaftswahl. Obwohl die von vielen erwartete heftige Polemik ausblieb und der Ton sachlich und höflich blieb, sparten sowohl Valls als auch Hamon nicht an klaren Worten, um ihre unterschiedlichen Positionen deutlich zu machen.

Im Fernsehstudio stand Benoit Hamon links und Manuel Valls rechts. Das war per Los gezogener Zufall, entbehrt aber nicht einer gewissen Logik: Der ehemalige Minister und sein einstiger Regierungschef repräsentieren eben jenen linken und rechten Flügel der Partei, die Valls selbst mehr als einmal als die beiden »unversöhnlichen Linken« bezeichnet hat. Das kam auch in der Debatte deutlich zum Ausdruck.

Valls, der im Vorfeld die Positionen seines Gegenspielers als »naiv, utopisch und unrealistisch« abgetan hatte, während er sich selbst staatsmännisches Verantwortungsbewusstsein zugute hielt und sich ausdrücklich zum Sozial-Liberalismus bekannte, versuchte die Bilanz der Amtszeit von Präsident François Hollande zu verteidigen. Hamon hielt dagegen – er wurde nach seinem demonstrativen Ausscheiden aus dieser Regierung im Jahr 2014 der Sprecher der »Frondeurs« (Aufrührer) genannten innerparteilichen Opposition. Zu jener gehören die vielen Linkswähler, die von Präsident Hollande und seiner Regierung enttäuscht sind. Sie wollen nicht die von Hollande und Valls eingeleitete Wende der Sozialistischen Partei hin zu in einer Sozialdemokratischen Partei mitmachen, sondern fordern im Gegenteil eine Rückbesinnung auf die echten Werte der Linken.

Die größten Diskrepanzen gab es in der Debatte bei dem von Hamon vorgeschlagenen Grundeinkommen von 750 Euro für jedermann und ohne jede Bedingung. Valls weist das als nicht finanzierbar zurück, es sei denn, man erhöhe die Steuerlast für alle arbeitenden Franzosen »in unverantwortlichem Maße«.

Für den Ex-Premier steht Arbeit im Zentrum aller Werte, während Hamon überzeugt ist, dass ihre Rolle »überbewertet« wird. Während Valls die 35-Stunden-Woche beibehalten und Überstunden steuerfrei stellen will, plädiert Hamon für 32 Stunden im Rahmen einer Vier-Tage-Woche. Während Valls das umstrittene und von ihm als Premier nur dank der Vertrauensfrage nach Ausnahmeparagraph 49.3 durchs Parlament gebrachte Gesetz über die neoliberale »Arbeitsrechtsreform« beibehalten will, würde Hamon es schnellstmöglich wieder außer Kraft setzen.

Deutliche Unterschiede gibt es jedoch auch in Fragen der Migrationspolitik. Während Hamon für eine großzügigere Aufnahme ausländischer Flüchtlinge als heute plädiert, aber »Humanitäts-Visa« einführen will, um »Klarheit zu gewinnen, wer da zu uns kommt«, hält Valls eine »strikte Begrenzung des Zustroms« für nötig und will abgewiesene Asylbewerber konsequenter als bisher abschieben. In dieses Bild fügt sich auch logisch ein, dass Hamon den legal in Frankreich lebenden Ausländern das Wahlrecht zuerkennen will, während Valls das ablehnt.

Einig waren sich dagegen beide, dass die Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste in Europa und der Austausch von Informationen verbessert werden muss, wozu auch die Vorabinformation über Flugpassagiere gehört. Valls unterstellte seinem Gegenspieler, er sei bereit, beim Prinzip der Laizität Zugeständnisse zu machen, was dem Kommunitarismus Vorschub leiste und damit auch die islamistische Radikalisierung begünstigen kann. Darauf erwiderte Hamon, dass er nur gegen die Stigmatisierung der Muslime eintritt, die nichts mit dem radikalen Islamismus oder gar Terrorismus zu tun haben. Während Valls Hamon vorwarf, dass er als Abgeordneter der Verlängerung des Ausnahmezustands seine Stimme verweigert hat, erklärte Hamon, dass Maßnahmen wie der Ausnahmezustand nichts am Problem der Unsicherheit ändern, wenn man nicht deren Ursachen anpacke. Aufgrund seiner Herkunft aus einem sozialen Problemviertel kennt Hamon die Lage der ausgegrenzten Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus eigener Erfahrung. Er könne einschätzen, wie man ihre Lage verbessern und Konfrontationen vermeiden sollte. Valls dagegen setzt offensichtlich lieber auf staatliche Macht und Gewalt.

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