Linker Labour-Chef leistet Schützenhilfe für den Brexit
Vor der zweiten Lesung des Gesetzes zum EU-Austritt gibt sich Theresa May siegessicher
Sie war Remain-Anhängerin, gibt sich jetzt als Brexit-Champion. Sie arbeitete als Innenministerin mit den EU-Kollegen zusammen, kriecht aber heute vor dem Menschenrechtsverächter Trump. Doch die vom Volk nie gewählte Premierministerin Theresa May bleibt in Umfragen obenauf - und will mit einer starken Parlamentsmehrheit im Rücken das britischen EU-Austrittsgesuch unterschreiben.
Einiges an ihrem Erfolg war vorauszusehen. Der schnelle Salto von der Remain- zur Brexit-Seite konnte sie mit der Mehrheit in der Volksabstimmung rechtfertigen, nach dem satirischen Motto: Ich bin ihre Führerin, ich muss ihnen folgen. Sie brannte vor Ehrgeiz, das durch David Cameron geräumte Amt zu übernehmen und schaute zufrieden zu, wie die männlichen Konkurrenten sich gegenseitig abschlachteten. Sie feuerte innenpolitische Gegner wie George Osborne, beförderte den notorischsten Lügenbold der Brexit-Kampagne, Boris Johnson, zum Außenminister. Sie biederte sich dem frauenfeindlichen Rassisten im Weißen Haus an, wo andere, darunter Angela Merkel, sich vor der ansteckenden Umgebung des Donald zurückhielten. Trotz alledem: In den Umfragen führt ihre Partei mit zwischen 9 und 17 Prozentpunkten vor Labour. Wieso?
Parteien mit klarer Linie machen auf die Wähler Eindruck. Die rechte UKIP und - mit Ausnahme des EU-freundlichen Ken Clarke - Mays Konservative wollen den Brexit so früh wie möglich. Zugang zum Binnenmarkt, Jobverluste in der Londoner City oder der Autoindustrie? Nicht der Rede wert. Mögliche Abspaltung Schottlands nach erneuter Volksabstimmung? Egal. Die Liberalen unter Tim Farron fahren ebenfalls einen eindeutigen Kurs, diesmal gegen den Brexit, drängen auf eine zweite Volksabstimmung, sobald die endgültigen Austrittsbedingungen feststehen; durch diese Klarheit gewannen sie Ende 2016 eine Nachwahl im Westlondoner Richmond.
Nur Labour steuert einen Zickzackkurs. Bei der Volksabstimmung folgten 70 Prozent ihrer Anhänger dem Remain-Rat der Führung, 30 Prozent begünstigten den Austritt. Aber überdurchschnittlich viele Brexit-Wähler wohnen in Labour-Wahlkreisen in Nord- und Mittelengland, wie in Copeland oder Stoke Central, wo Ende Februar Nachwahlen drohen. Eine baldige Parlamentswahl würde Labour wohl haushoch verlieren. Also verlangt Jeremy Corbyn bei der Unterhausabstimmung von seiner Fraktion am Dienstag ein Ja zu Mays Brexit-Plänen.
Das bringt traditionelle Corbyn-Kritiker wie seinen unterlegenen Gegenkandidaten im Sommer 2016, Owen Smith, auf den Plan, der wie die Liberalen eine zweite Volksabstimmung für 2019 fordert. Aber auch sonst Corbyn-treue FraktionssprecherInnen wie Tulip Siddiq, Daniel Zeichner, Jo Stevens und Catherine West sowie die parlamentarischen Geschäftsführer Jeff Smith, Thangam Debbonaire oder Meg Hillier wollen der Parteidisziplin trotzen - ironischerweise mit dem Hinweis auf den früheren Serienrebell Corbyn sowie auf die Remain-Mehrheit in ihren Wahlkreisen, ob in London, Cardiff, Cambridge oder Bristol.
Die Basisbewegung »Labour Against Brexit« wurde mit einem offenen Brief grundsätzlicher. Corbyns Schützenhilfe für Mays schnellen, harten Brexit sei Verrat an seinen sozialistischen Idealen, denn der Austritt würde den Interessen der Arbeiter schaden. In der Tat: Britische Arbeitsplätze würden verloren gehen, Hormonfleisch aus den USA den Markt überschwemmen, teure US-Medikamente den Nationalen Gesundheitsdienst in den Ruin treiben. Kurz: Brexit und die unheilige Allianz mit Trump führen voraussichtlich in die Katastrophe. Am 25. März plant die Organisation »Unite for Europe« eine Riesendemo gegen Brexit in London. Wird Corbyn den Mut aufbringen, sich der Demo anzuschließen?
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