Zornesröte im Aufgang - die Erben der Daker rebellieren
Hunderttausende gehen in Rumänien gegen die Lockerung der Antikorruptionsgesetze auf die Straße
Bei den größten Massenprotesten seit Ende des Sozialismus in Rumänien haben Hunderttausende gegen die Lockerung der Antikorruptionsgesetze demonstriert.
In Bukarest und anderen Städten gingen am Mittwochabend nach Schätzungen von Medien bis zu 300 000 Menschen auf die Straßen, um die Aufweichung der Korruptionsbekämpfung anzuprangern. Handelsminister Florin Jianu schloss sich den Kritikern an: Er erklärte am Donnerstag seinen Rücktritt.
Allein in der Hauptstadt Bukarest protestierten trotz eisiger Temperaturen mindestens 100 000 Menschen. Es war die größte Kundgebung dort seit mindestens 25 Jahren. Auch in den Städten Cluj, Timisoara und Sibiu machten Tausende Demonstranten ihrem Zorn Luft.
In Bukarest kam es zu vereinzelten Zusammenstößen mit der Polizei. Demonstranten warfen mit Flaschen und Feuerwerkskörpern, Polizisten setzten Tränengas ein. 20 Personen wurden in Gewahrsam genommen, es gab fünf Verletzte. Es ertönten Rufe »Diebe« und »Rücktritt«.
Angesichts der Massenproteste wurden in der Regierung Risse sichtbar. Handelsminister Jianu begründete seinen Rücktritt am Donnerstag, dass er damit seinem Gewissen folge. Er hoffe, dass die Regierung »den Anstand hat, ihren Fehler zu korrigieren«, schrieb Jianu auf seiner Facebook-Seite.
Der neue sozialdemokratische Ministerpräsident Sorin Grindeanu lehnte ein Einlenken gegenüber den Demonstranten aber ab. »Wir leben in einer Zeit, in der die Manipulation ein alarmierendes Ausmaß erreicht hat«, erklärte er in der Nacht.
Justizminister Florin Iordache rechtfertigte das Dekret zur Lockerung der Antikorruptionsgesetze in einer Mitteilung: An dem Erlass sei »nichts geheim, illegal oder unmoralisch«. Die sozialdemokratische Regierung hatte am Dienstagabend per Dekret mehrere Vergehen für straffrei erklärt. Amtsmissbrauch wird zudem nur noch mit Gefängnis bestraft, wenn der Streitwert über 44 000 Euro liegt. Darüber hinaus legte die Regierung dem Parlament ein Gesetzesvorhaben zur Amnestie von Straftätern vor, die zu weniger als fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Von der Haftentlassung würden rund 2500 Häftlinge profitieren - darunter mehrere Politiker, die wegen Korruption in Haft sitzen.
Die Lockerung der Antikorruptionsgesetze stieß auch im Ausland auf Kritik. In einer gemeinsamen Erklärung formulierten die Botschaften Deutschlands, der USA, Frankreichs, Kanadas, Belgiens und der Niederlande ihre Bedenken. Das Vorgehen sei Anlass für »tiefe Besorgnis« und mache die Fortschritte des Landes im Kampf gegen die Korruption zunichte, hieß es in der ungewöhnlichen diplomatischen Intervention. AFP
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.