Mauer und Meer sind tödlich
Robert D. Meyer warnt vor der wachsenden Abschottung vor Leid
Seit Donald Trump im Weißen Haus sitzt, gibt es nicht wenige in Europa, die einen seit dem Ende der Ära George W. Bushs unterdrückten Reflex wieder genüsslich ausleben: Seht an, wie verrückt diese Amerikaner doch sind! Erst Muslimen die Einreise verbieten wollen und dann eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen!
Nun gibt es keine Zweifel daran, dass beide Projekte Ausdruck einer rückwärtsgewandten, antihumanistischen Politik sind. Doch Europa sollte sich zurückhalten, als Tugendwächter eines vermeintlich gemeinsamen Wertesystems aufzutreten. Laut der Mittestudie 2016 würden 41 Prozent der Befragten hierzulande die Zuwanderung von Muslimen verbieten. Deutschland ist mit seiner Moral näher an der argwöhnisch beäugten Trump-Nation, als es sich eingestehen will.
Und was dem US-Präsidenten seine Mauer zu Mexiko, ist der EU ihr Deal mit dem Despoten Erdogan, die Schließung der Fluchtroute über den Balkan und jetzt ganz neu der Plan, über das Mittelmeer fliehende Menschen direkt nach Nordafrika zurückzuschicken. Union und SPD schätzen sich wohl glücklich, dass zum Leiden südlich von Europa ein Abstand von 4,3 Millionen Kubikkilometer Wasser besteht.
Für die Existenz des Mittelmeers kann selbst SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nichts, wohl aber für seine Behauptung, mehr Abschottung entziehe Schleusern die Grundlage. Die finden immer tödlichere Routen. Egal ob ihnen eine Mauer oder das Meer im Wege stehen.
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