Konsequenter unmenschlich

Bundesregierung organisiert Abschiebungen neu / LINKE: Statistik zeigt bereits Rekord-Hoch

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Beschleunigung der Asylverfahren folgt die Beschleunigung der Abschiebungen. Der Plan der Bundesregierung beseitigt die letzten Hindernisse, die einem schnellen »Durchfluss« der Flüchtlinge in Deutschland noch im Wege stehen - nach der Erhöhung der Hürden vor den Grenzen und im Asylverfahren sowie der Beschleunigung der Verfahren nun die geordnete und druckvolle Massenabfertigung zur Entsorgung der abgelehnten Asylbewerber. Die Bundeskanzlerin hatte zuletzt beim Treffen mit CSU-Chef Horst Seehofer von einer »nationalen Kraftanstrengung« gesprochen, die notwendig sei, um mehr Flüchtlinge ohne Bleiberecht in Deutschland in ihre Heimatländer »zurückzuführen«. Diese Rückführung von Flüchtlingen ist Hauptzweck des Plans in 16 Punkten, den Angela Merkel den Ministerpräsidenten der Bundesländer am Donnerstagnachmittag offerierte.

Dass der Bund sich nach diesen Plänen neue Kompetenzen zuordnet, so etwa mit den vorgesehenen Bundesausreisezentren, könnte noch ein Problem bei der Umsetzung des Plans darstellen - weil Bundesländer dem damit verbundenen Kompetenzverlust widersprechen. Wie auch der inhaltliche Widerspruch noch nicht ausgeräumt ist, der sich darin zeigt, dass mehrere Bundesländer bei der Beurteilung der Sicherheitslage etwa in Afghanistan nicht der Bundesregierung, sondern UNO-Organisationen folgen und sich deshalb einer Abschiebung afghanischer Flüchtlinge bisher verweigern. Mit den geplanten Bundesausreisezentren könnte der Bund diesen Dissens und damit die Bundesländer einfach umgehen und nach eigenem Gusto handeln.

Neben der Abschiebung, zu deren Absicherung in Sammeltransporten mit den Ausreisezentren auch die Abschiebehaft erleichtert und zeitlich ausgedehnt werden soll, spielt in den Plänen auch die sogenannte freiwillige Rückkehr eine große Rolle. Betroffene sollen umso mehr Geld bekommen, desto früher sie sich für eine Rückkehr entscheiden. Um dieses Geld nicht zum eigenen Einreisegrund werden zu lassen, soll die Summe in jedem Fall niedriger sein, als der zur Einreise nach Deutschland notwendige Betrag. Der Bund will 2017 zusätzlich 40 Millionen Euro für Rückkehr- und 50 Millionen für Reintegrationsprogramme ausgeben.

Außerdem soll möglichst frühzeitig eine Rückkehrberatung einsetzen, für Menschen aus Ländern mit sogenannter geringerer Schutzquote möglichst gleich nach der Einreise. Die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl spricht in diesem Zusammenhang von einer »Entmutigungsstrategie mit Staffelpreisen«: Je früher der Asylantrag zurückgezogen wird, desto höher die Ausreiseförderung.

Klar ist, dass durch die Identifizierung von Flüchtlingen aus vermeintlich sicheren Ländern und deren Sonderbehandlung durch »Rückkehrberatung« der Zweck des Asylrechts unterhöhlt wird - die individuelle Prüfung der Schutzbedürftigkeit. Die LINKE-Politikerin Ulla Jelpke warnt vor den gesellschaftlichen Folgen eines solchen Vorgehens. Wer eine »nationale Kraftanstrengung« bei Abschiebungen fordert, stärke rassistische Stimmungen und »fördert rechte Kräfte und Parteien im Land«, erklärte die innenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Bundestag. Und das, obwohl die Anerkennungsquoten sich auf einem Rekord-Hoch befinden, »der überwiegende Teil aller Asylsuchenden ist schutzbedürftig und wird hier bleiben«. Gleichzeitig steigen die Zahlen der abgeschobenen Flüchtlinge, wie Jelpke verdeutlicht. Auf eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung teilte diese mit, dass es im Jahr 2016 insgesamt 25 375 Abschiebungen gab - 21,5 Prozent mehr als im Vorjahr, als sich die Abschiebezahlen bereits verdoppelt hatten. Zugleich wurden 54 069 geförderte sogenannte freiwillige Ausreisen registriert, 45 Prozent mehr als 2015. Jelpke nennt die aktuelle Debatte um noch weiter verschärfte Abschiebungsregelungen angesichts dieser Zahlen absurd und abstoßend. Auch weil sie die Abschiebepraxis anhand konkreter Einzelfälle kennt und weiß, dass »schon jetzt die Menschenwürde im Abschiebungsalltag häufig verletzt wird«.

Die im Maßnahmeplan geplanten Details lassen ahnen, dass hier weiter mit harter Hand vorgegangen wird. So soll über die Reisefähigkeit bei Abschiebungen ein Amtsarzt entscheiden, statt die bisher behandelnden Ärzte einzubeziehen. Die ohnehin scharfen Regelungen werden nochmals verschärft, wie Pro Asyl kritisiert und auf den unter Eingeweihten gängigen Begriff der »Fachärzte für Abschiebungen« hinweist.

Ergebnisse des Dialogs der Kanzlerin mit den Regierungschefs der Länder lagen bei nd-Redaktionsschluss noch nicht vor. Die Innenminister der Länder sollen zu einem Zwischenbericht über die Maßnahmen bis Ende März und zu einem Abschlussbericht bis Juni aufgefordert werden, hieß es vorab jedoch.

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