Leerstellen im Fracking-Gesetz
Am Samstag treten neue Regeln in Kraft - ein Komplettverbot wird es nicht geben
Das Fracking-Gesetz, das an diesem Samstag in Kraft tritt, hatte schon zuvor Folgen: Dem Konzern Wintershall wurde untersagt, in Nordrhein-Westfalen in den beiden Suchfeldern »Ruhr« und »Rheinland« weiter nach Erdgas zu suchen. Die Bezirksregierung Arnsberg lehnte Verlängerungsanträge des Konzerns Anfang dieses Monats mit Bezug auf das Gesetz ab. Die Genehmigungsbehörde geht nämlich davon aus, dass aus diesen Feldern Gas nur mit dem sogenannten unkonventionellen Fracking gewonnen werden kann. »Es macht keinen Sinn, die Suchgenehmigung für etwas zu erteilen, was dann ohnehin nicht gefördert werden darf«, sagt Behördensprecher Andreas Nörthen.
Das lang diskutierte Gesetzespaket der Bundesregierung, das aus Neuerungen im Wasser- und Bergrecht besteht, verbietet die unkonventionelle Förderung. Bei diesem Verfahren presst man ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Untergrund. Dieses bricht das Gestein auf und das sonst nicht aus dem Untergrund kommende Gas löst sich.
Konventionelles Fracking wird in Deutschland hingegen seit den 1960er Jahren vor allem in Sand- und Kalkstein eingesetzt. Der Energierohstoff befindet sich in großer Tiefe und es werden nur geringe Mengen an Frackingflüssigkeit benötigt, da Tight Gas weitgehend selbstständig aus den Gesteinporen entweichen kann. Diese Form der Förderung bleibt laut dem Gesetzespaket weiterhin erlaubt. Allerdings sind Umweltverträglichkeitsprüfungen verpflichtend. Nicht gefrackt werden darf in der Nähe von Mineralwasservorkommen oder in Naturschutzgebieten.
Beim unkonventionellen Fracking hingegen wird das in geringer Tiefe lagernde Gas aus Schiefer-, Ton-, Mergel- oder Kohleflözen gefördert - dort ist es fester gebunden. Diese Methode wird zwar nun per Gesetz verboten, soll aber in vier Forschungsbohrungen erprobt werden. Das Bundesland, in dem die jeweilige Bohrung stattfinden soll, kann jedoch die Erlaubnis verweigern. Die Ergebnisse auswerten soll eine Expertenkommission, die von der Bundesregierung eingesetzt wird. Im Jahr 2021 soll der Bundestag dann mit den gewonnenen Erkenntnissen erneut abstimmen. Tut er das nicht, bleibt diese Form des Frackings weiter verboten.
Die Bundesregierung hat dabei noch nicht entschieden, wer überhaupt Mitglied in der »Expertenkommission zur wissenschaftlichen Begleitung von Erprobungsmaßnahmen von Fracking« wird. Das soll erst geschehen, wenn »konkrete Anträge auf Erteilung wasserrechtlicher Erlaubnisse für unkonventionelle Fracking-Erprobungsvorhaben zu erwarten sind«, antwortete das Bundesforschungsministerium auf eine Anfrage der Grünen-Politikerin Julia Verlinden. Obwohl das Gesetz also nun in Kraft tritt, halte sich die Bundesregierung offen, wen sie am Ende in die Expertenkommission schicken will, kritisiert Verlinden. Damit bleibe unklar, wer überhaupt über mögliche Risiken urteilen soll.
Kritik am neuen Gesetz kommt auch von Umweltschutzorganisationen. Daniel Hiß vom Deutschen Naturschutzring (DNR) zweifelt die Trennung zwischen Tight Gas und unkonventionellen Vorkommen an: »Die Gefahren und Risiken unterscheiden sich in keiner Weise.« Umweltschützer befürchten unter anderem, dass durch den Einsatz von Chemikalien das Grundwasser verschmutzt wird.
Ein weiterer Kritikpunkt ist der fehlende Klimaschutz: »Es ist eine große Leerstelle im Gesetz, dass die Klimafolgen von Fracking nicht thematisiert werden«, sagt Ann-Kathrin Schneider vom BUND. »Beim Fracking an sich und beim Transport des Erdgases kann Methan entweichen«, erklärt sie und fordert, diese Emissionen bei der Genehmigung zu berücksichtigen. Methan ist ein Treibhausgas, das 28- bis 34 Mal klimaschädlicher ist als Kohlendioxid.
»Um die in Paris vereinbarten Klimaziele zu erreichen, braucht es ein klares Verbot jeder Art des Erdöl- und Erdgasfrackings«, sagt auch DNR-Präsident Kai Niebert. Statt durch Tight-Gas-Fracking weiter auf vergangene Zeitalter zu setzen und fossile Energieträger zu erschließen, müsse die Bundesregierung ihren internationalen Versprechen gerecht werden und die Energiewende beschleunigen.
Die Umwelt- und Naturschutzorganisationen fordern die Bundesländer auf, ein Veto gegen die Probebohrungen in den unkonventionellen Lagerstätten einzulegen. »Wenn kein Bundesland eine Genehmigung erteilt, könnte es das Ende des Frackings aus Ton- Mergel- und Schiefergesteinen sein«, sagt DNR-Mann Hiß. Von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein habe es bereits solche Signale gegeben.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.