Fake News aus Leverkusen

Bayer gewinnt gegen Frankfurt - und Roger Schmidt ist immer noch Trainer der Werkself

  • Andreas Morbach, Leverkusen
  • Lesedauer: 4 Min.

Es war ein rührendes Schauspiel, das Rudi Völler nach Bayer Leverkusens Befreiungsschlag gegen Eintracht Frankfurt bot. Zunächst zeterte Leverkusens Sportdirektor (»Ein starkes Stück«, »Schwachsinn«, »Riesensauerei«) wie auf Bestellung über die seltsame Meldung des Fernsehsenders »Sky«, der am Sonnabend, eineinhalb Stunden vor dem Anpfiff der Partie, von der Entlassung des Leverkusener Trainers Roger Schmidt durch den Gesellschafterausschluss des rheinischen Fußballklubs berichtet hatte. Als der emotionale Schnellkochtopf Völler kurz darauf zum zweiten Mal in der Journalistenecke aufkreuzte, witzelte er schon mit typischem Augenzwinkern zum klaren 3:0 der Werkself: »Die Chemie bei uns hat heute gestimmt. Das gehört zu Bayer ja dazu.« Und eine Minute später erzählte er bereits Anekdoten aus seiner langen Zeit in der italienischen Serie A.

Auch der Sportchef hatte ja mitbekommen, wie Schmidt (»Wollen Sie mich provozieren oder brauchen Sie noch irgendeinen Satz auf Ihrem Zettel?«) am Tag vor dem Spiel genervt die Medienrunde verlassen hatte. »Waren Sie schon mal bei einer Pressekonferenz vor dem Spiel AS Rom gegen Lazio? Dagegen ist das hier Kindergarten«, erzählte Völler und bekundete großes Verständnis für den plötzlichen Abmarsch des Übungsleiters: »Er war ja schon fünf Mal dasselbe gefragt worden. Ich wäre schon nach dem dritten Mal gegangen.«

Die Turbulenzen um den eigenwilligen Fußballlehrer sind fester Bestandteil in Leverkusen, seit Roger Schmidt dort im Sommer 2014 seinen Job angetreten hat. Der gebürtige Sauerländer stand unterm Bayer-Kreuz bereits häufiger auf der Kippe. Doch immer, wenn es richtig eng für ihn wurde, bekamen er und seine Mannschaft stets die Kurve. So auch diesmal, nach zuletzt zwei Niederlagen gegen Borussia Mönchengladbach und beim Hamburger SV - und nach eben jener »Sky«-Nachricht, die am Sonnabend gegen 14 Uhr herein gekracht war.

Der Bezahlsender hat am Sonntag zwei Entschuldigungsschreiben an die sportliche Führung von Bayer Leverkusen um Rudi Völler und Geschäftsführer Michael Schade geschickt. Zudem telefonierte Völler mit Carsten Schmidt, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von Sky Deutschland, danach war für den Sportchef die Angelegenheit vergessen: »Er hat sich noch mal entschuldigt und gesagt, dass so etwas natürlich nicht passieren darf. Aber jeder macht mal Fehler. Ich habe mich eine Nacht geärgert, jetzt geht es weiter. Für uns ist diese Sache abgeschlossen.«

Einen Tag zuvor sah das natürlich noch ganz anders aus. Schwer bedient war da auch Michael Schade. »Ein Treffen des Gesellschafterausschusses war weder geplant noch hat es stattgefunden, noch haben wir überhaupt daran gedacht«, betonte Bayer Leverkusens Geschäftsführer - und bezeichnete die Vorgehensweise von »Sky« als »äußert perfide«. Schade fügte noch hinzu: »Natürlich hat das die Mannschaft und den Trainer vor dem Anpfiff erreicht.«

Hier allerdings lag nun auch wieder Schade daneben. »Keine Ahnung, was da los war. Ich bin nach dem Aufwärmen nicht mehr am Handy gewesen. In der Mannschaft war das auf jeden Fall kein Thema«, berichtete Bernd Leno, der seine Arbeit im Leverkusener Dauerregen genauso konzentriert erledigte wie alle seine Mitspieler. Nach der frühen Führung durch den mexikanischen Stürmer Javier »Chicharito« Hernandez in der fünften Minute verhinderte der Leverkusener Torwart Mitte der ersten Halbzeit gegen die beiden Frankfurter Offensivspieler Mijat Gacinovic und Branimir Hrgota gleich zwei Mal in höchster Not den Ausgleich.

Es war die Basis für die souveräne zweite Hälfte der Schmidt-Elf, die in der 63. Minute erneut durch Chicharito sowie den später für den zweifachen Torschützen eingewechselten Kevin Volland (78. Minute) noch zu zwei künstlerisch wertvollen Treffern kam. Zusätzlich versüßt wurde der nächste Ruck im sportlichen Auf und Ab der Leverkusener durch die parallelen Niederlagen am Sonnabend von RasenBallsport Leipzig (0:3 gegen den Hamburger SV), Borussia Dortmund (1:2 in Darmstadt) und Hertha BSC (0:2 beim FC Schalke 04). Die Lücke zu den internationalen Plätzen ist durch den klaren Sieg gegen das Überraschungsteam aus Hessen somit wieder kleiner geworden. »Europa ist«, stellte Ballfänger Leno also fest, »nicht unerreichbar.«

Keine Widerworte gab es von Niko Kovac. »Wir sind kein Spitzenteam - das sind Mannschaften wie Leverkusen, Dortmund oder München, die seit Jahren international spielen«, betonte der Trainer von Eintracht Frankfurt und machte deutlich: »Wir sind auf einen viel besseren Gegner getroffen.« Der sportlich Verantwortliche für diesen starken Kontrahenten ließ das mediale Theater um seine Person vor dem Anpfiff dabei entschlossen ins Leere laufen. »Ich habe mich zu hundert Prozent auf mein Ziel konzentriert und alles andere nur am Rande wahrgenommen«, erzählte Roger Schmidt, ehe er lächelnd erwähnte: »Ich glaube, meine Spieler haben nichts davon mitbekommen. Auf jeden Fall hat man nicht gemerkt, dass sie etwas wussten.«

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