Trommeln und Schläge
Sektion »Generation«
Die Stiefel sehen gut aus, aber sie sind empfindlich, heißt es zu Beginn von »Soldado«. Die müsse man vorsichtig behandeln: stets nur mit Neutralseife säubern. Und die Uniform sei auch nur mit der Hand zu waschen. Bloß keinen Schleudergang in einem Waschsalon riskieren. Nein, so einen Schleudergang übersteht die Uniform nicht. Und in der Sonne bleicht sie aus, also auch niemals in der Sonne trocknen.
Die Marschbefehle per Trommelschlag, die der junge Rekrut lernt, der zum Militär geht, weil er ja Arbeit finden muss (und seine Mutter sehr dafür war), die stammen noch von den Spaniern. Wer sie lernt, ist angesichts dieser langen Tradition gehalten, seine ganze Seele in die Sache zu legen. Wie diese Sorgfalt mit dem einhergeht, was im Ernstfall mit dem Körper des jungen Rekruten passieren würde, fragt sich der Zuschauer. Dass auch der junge Rekrut sich solche Fragen stellt, kann man nur hoffen. Oder hat er tatsächlich keine andere Wahl im Leben?
Manuel Abramovich fand die Vorlage für seinen kommentarlos kontemplativen Dokumentarfilm vor der Haustür: Von seiner Wohnung beobachtete er täglich das Ritual auf dem Exerzierplatz einer Kaserne, das nur dazu da ist, aus Individuen eine gleichgeschaltete Masse zu machen. Der junge Mann aus der Provinz, den Abramovich bei seiner allmählichen Verwandlung zum Soldaten mit der Kamera begleitet, ist zum Trommler bestimmt. Er macht das gut. Vom Training an der Waffe ist er deshalb aber nicht befreit. Und als einer seiner Kameraden stirbt, wird der in seiner Uniform begraben, handgewaschen, sonnengebleicht, neutralseifegepflegt oder nicht.
»Generation 14plus«, die Berlinale-Sparte mit Filmen für und über Teenager, setzt das fort, was »Generation kplus« für die Jüngeren bietet: einen Einblick in Leben, die mit einer hiesigen Jugend Alter und Träume gemeinsam haben, aber sonst ganz anders sind. Da kann man im schwedischen Dokumentarfilm »Loving Lorna« von Annika und Jessica Karlsson mit der pferdevernarrten Titelheldin in einem Dubliner Plattenbauvorort bangen, ob sie wirklich Schmied wird werden können, wo sie der Rücken doch so plagt. Und nebenbei mit einem Minimum an Hintergrund-Recherche lernen, dass in Dublins städtischen Parks so viele halb ausgewilderte Pferde herumlaufen, dass die Stadtverwaltung eine Hotline einrichtete.
Oder man hört Schülern aus dem Donbass zu, die von ihren Träumen und Albträumen berichten, in »Shkola nomer 3« von Yelizaveta Smith, Georg Genoux und Natalya Vorozhbit. Die Schule, die im Bombenhagel zerstört wurde, ist blitzblank wieder aufgebaut. Kriegerische Slogans an den Mauern sind übermalt, neue Graffiti mahnen zum Frieden. Aber in der Ost-Ukraine ist jetzt trotzdem alles anders: Es gibt ein Leben vor und eines nach dem Krieg. Den Jugendlichen sitzen Flucht, Angst und temporäre Trennung von Angehörigen (und Haustieren) tief in den Knochen. Reisen, das ist jetzt etwas, das mit Bombenhagel und Flucht zu tun hat, nicht mehr mit dem Traum, eines Tages mal unter dem Eiffel-Turm zu stehen.
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