Neue Rolle

Dirk Hilbert, Oberbürgermeister von Dresden: sportlich im Kampf gegen die Wutbürger

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 2 Min.

Er brauchte lange, um sich Gehör zu verschaffen. Pfiffe gellten, als Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert sein Grußwort zur Eröffnung eines dem Syrienkrieg gewidmeten Kunstwerks aus drei aufgerichteten Bussen neben der Frauenkirche sprechen wollte; der Rathauschef wurde als »Volksverräter« beschimpft. Dann aber redete Hilbert, und man konnte fast den Eindruck gewinnen, als ob er die Aufgabe mit sportlichem Ehrgeiz annehme. »Rechtspopulisten bauen auf das Vergessen«, sagte er bei dem Termin kurz vor dem Jahrestag der Zerstörung Dresdens - und machte klar, dass er sich dem widersetzt und beim Gedenken zugleich den Bogen von 1945 in die Gegenwart zu schlagen gewillt ist, zu den Toten von Aleppo und den Flüchtlingen, die im Mittelmeer ertrinken - gegen alle Widerstände der Wutbürger.

Hilbert hat seine Rolle neu erfunden. Er habe sich »zum ersten Kämpfer seiner fiebrigen Stadt gemausert«, wie es dieser Tage in der »Mitteldeutschen Zeitung« hieß. Lange galt der Wirtschaftsingenieur, der an der TU Dresden studiert hatte, 1998 ins Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt Köln ging und 2001 vom parteilosen Rathauschef Ingolf Roßberg als Beigeordneter für Wirtschaft ins Dresdner Rathaus geholt wurde, als farbloser Technokrat, dessen Reden zu lauschen kein Genuss war. Dann kam der 3. Oktober 2016, als pöbelnde Pegida-Anhänger die zentrale Feier am Tag der deutschen Einheit zum Eklat werden ließen und die Stadt erneut weithin blamierten.

Seither scheint Hilbert, der mit einer Pianistin aus Südkorea verheiratet ist, verändert. Nicht nur trotzt der Politiker, der erstmals 2011 als Vertreter seiner erkrankten Vorgängerin Helma Orosz für ein Jahr den Chefposten übernahm und sich bei der OB-Wahl 2015 dann gegen SPD-Politikerin Eva-Maria Stange durchsetzte, offensiv den Pöbeleien aus Teilen der Bürgerschaft. Am Samstag nahm er als erster Dresdner Rathauschef selbst an einer Gegendemo zum »Trauermarsch« der Nazis teil - ein Schritt, zu dem sich CDU-Frau Orosz nie hatte durchringen können.

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