Kein Glamour hinter den Kulissen

Viele Helfer von Filmfestivals sind prekär beschäftigt. Während der Berlinale traf sich die Initiative »Festivalarbeit gerecht gestalten«

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 3 Min.

Der rote Teppich ist ausgerollt, seit Tagen sorgen Hunderte fleißige Helfer für den reibungslosen Ablauf der Berlinale. Das Spektakel kostet rund 24 Millionen Euro, mehr als ein Viertel stammt aus dem Haushalt des Bundes. Von solch finanziellem Polster kann die Mehrzahl der deutschen Filmfestivals nur träumen. Ihre Etats sind knapp, was ihre gut ausgebildeten Mitarbeiter im eigenen Portemonnaie spüren. Rechnen sie ihre Honorare auf die Zahl der Stunden um, liegen sie weit unter dem Mindestlohn.

Filmfestivals boomen. Rund 450 Events locken die Zuschauer in Deutschland mit filmischen Leckerbissen. Sie begeistern längst ein Stammpublikum, das die unmittelbare Begegnung mit den Stars oder den Filmemachern schätzt. Die Honorare der Moderatoren sind oft mies. So werden auch mal 45 Euro für die Gesprächsleitung bei drei Veranstaltungen eines internationalen Festivals gezahlt. Die Initiative »Festivalarbeit gerecht gestalten«, die sich am Mittwoch zum zweiten Mal traf, will diese prekären Verhältnisse ändern.

Ludwig Sporrer vom DOK.fest München, Alexandra Hertwig vom Kasseler Dokfest, Andrea Kuhn vom Filmfestival der Menschenrechte Nürnberg und Grit Lemke von der Dokfilmwoche gaben den Anstoß für die Vernetzung. Die Mehrzahl der Festivalmitarbeiter tingelt mit Werksverträgen über mehrere Monate von Festival zu Festival. Einen Jahresvertrag besitzen, wenn überhaupt, nur die Festivaleiter. Bei ihren Mitarbeitern liegt das Honorar für 12 - bis 14-Stunden-Tage am Rande des Existenzminimums. An Altersvorsorge ist nicht zu denken, die Absicherung gegen Krankheit bleibt Sache des Einzelnen. Keiner kann sicher sein, dass er beim nächsten Jahrgang wieder dabei ist.

Die Schilderungen sollen in eine Studie münden, für die die Initiatoren Unterstützer suchen. In den kommenden Wochen werden die Mitglieder der Initiative auch entscheiden, ob sie sich nach Vorbild der Schauspieler und Crewmitglieder selbst organisieren oder unter das Dach der Gewerkschaft ver.di schlüpfen werden.

Mit der Gründung eines Verbandes der Filmfestivals in Deutschland entsteht gerade ein Partner für den Abschluss von Tarifverträgen und Honorarvereinbarungen. Damit findet auch die Diskussion innerhalb der Initiative ein Ende, ob es einen gemeinsamen Verband von Veranstaltern und Mitarbeitern sein soll.

Die Leiter von Festivals sind meist nicht damit zufrieden, dass sie nur unzureichend zahlen können. Filmfestivals werden meist von eingetragenen Vereinen initiiert, sie leben in den ersten Jahren vom ehrenamtlichen Engagement der Organisatoren. Das ändert sich kaum, wenn Sponsoren und Förderer eingeworben und Festivals aus den Veranstaltungskalendern von Städten und Gemeinden nicht mehr wegzudenken sind. Das Budget bleibt knapp auch. Denn das gesamte deutsche Filmfördersystem ist auf die Unterstützung der Filmproduktion ausgerichtet, nicht auf die Präsentation derselben.

Diese Erkenntnis muss den politisch Verantwortlichen bewusst werden. Festivals sind künstlerische Leuchttürme und längst eine gleichberechtigte kommerzielle Plattform für die Filmauswertung. Ihre Mitarbeiter brauchen einen starken Lobbyverband, damit auch sie gemeint sind, wenn die Familienministerin Manuela Schwesig zum Thema »Auch hinter den Kulissen muss es gerecht zugehen« diskutiert. »Frauen und Männer dürfen beim Gehalt nicht gegeneinander ausgespielt werden. Dies gilt für den Schauspielbereich ebenso wie für die gesamte Arbeitswelt«, befindet die Ministerin.

Die LINKE will sich im Bundestag für ein Mindesthonorar auch in dieser Branche engagieren und knüpft damit an ihre Forderung nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn an. In der Einladung der LINKEN an Betroffene und Auftraggeber zu einem für März anberaumten Fachgespräch heißt es: »Die Fraktion setzt sich dafür ein, dass auch die neuen Selbstständigen von ihrer Arbeit leben können und in den Schutz der Sozialversicherungssysteme einbezogen werden.« Und auch die Länder sind aufgewacht. Kultursenator Klaus Lederer hat versprochen, sich der sozialen Situation der Mitarbeiter der boomenden Berliner Szene anzunehmen. Filmfestivals gehören dazu.

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