Lieber Instandbesetzen als Kaputtbesitzen
Daniel Loick bietet eine radiale Kritik zum Eigentumsbegriff
Auch wenn die Hochzeit der Häuserkampfbewegung längst vorbei ist, gewinnt der Philosoph Daniel Loick dieser Bewegungspraxis einige faszinierende Aspekte ab. Die in den 1970er und 1980er Jahren immer wieder skandierte Parole »Lieber Instandbesetzen als Kaputtbesitzen«, die angeblich von Benny Härlin, dem früheren Herausgeber des Magazins »radikal« und späteren Europaabgeordneten der Grünen stammt, formuliert nach Loicks Meinung einen politischen Eigentumsbegriff, der von einem radikalen Gebrauchswert ausgeht. Wobei das Instandbesetzen weit mehr sei als nur eine historische politische Praxis, sondern vielmehr ein Zugang, der allgemein als »Oberbegriff für verschiedene Aktionsformen praktischer Eigentumskritik fungieren« kann.
Loick bietet einen Überblick liberaler und kapitalistischer Eigentumsbegriffe von Locke bis Hegel, um dann anhand von Proudhon, Marx und Augustinus seine eigene »politische Kritik« des Eigentums zu artikulieren, die an Praxis und Theorie der Haubesetzung anknüpft und in den aktuellen Debatten um Allgemeingüter und Commons ihre Fortführung findet. Der Autor will »einen Beitrag zur theoretischen Reflexion realer sozialer Kämpfe leisten« und ein Plädoyer dafür formulieren, »dass eine kritische Theorie der Gesellschaft wieder einen Bezug zur ›wirklichen Bewegung‹ herstellt, welche den jetzigen Zustand aufhebt«. Immer wieder fokussiert sich Loik auf die Frage eines kollektiven Eigentumsbegriffs. Das reicht von John Lockes »Zwei Abhandlungen über die Regierung« von 1690 als zentralem Text für den liberalen und mithin kapitalistischen Eigentumsbegriff, worin die Aneignung des Bodens durch inwertsetzende Arbeit als grundlegend definiert und so Landenteignungen, Kolonisierung und die Zerschlagung der Allmenden rationalisiert wird. An Hegels Eigentumsbegriff interessiert Loick die Kritik am Pöbel, der auf dem Recht insistiert, Dinge zu gebrauchen, ohne sie zu besitzen. An diesem Punkt treibe Hegels Theorie über sich selbst hinaus, und am Horizont »taucht hier ein nicht mehr rechtliches, sondern politisches Subjekt auf: die Hausbesetzerin«. Loick unterzieht aber auch Marx› und Engels‹ Formel der »Expropriation der Expropriateure« einer kritischen Lektüre. Schließlich wird im »Kommunistischen Manifest« gar nicht die Abschaffung des Eigentums an sich gefordert, sondern nur das bürgerliche Eigentum in Frage gestellt.
Nur wie kann heute ganz praktisch etwas - z. B. ein Haus - genutzt oder gebraucht werden, ohne es als Eigentum, sei es individuell oder kollektiv, aneignen zu wollen? Hier sieht Loick die Hausbesetzung und vor allem das Instandbesetzen als eine längst existierende Praxis, die angesichts der kapitalistischen Krisen von immenser Bedeutung ist. Denn die sozialen und ökonomischen Ausgrenzungen durch Copyrights und Patente, die massenhaften Zwangsräumungen nach geplatzten Immobilienblasen, die ökologischen Katastrophen, die Übernutzung gemeinschaftlicher Ressourcen zeugen alle von der schweren Krise eines privaten Eigentumsbegriffs, der letztlich den Gebrauch von Gütern blockiert und nicht ermöglicht.
Demgegenüber setzt Loick einen bedürfnisorientierten, an Sorgearbeit ausgerichteten Begriff eines politischen Commoning, wie er etwa im Zuge der solidarischen Hilfe nach dem Hurrikan 2012 durch die Bewegung Occupy Sandy praktiziert wurde oder sich auch in Hauskooperativen, Essenkollektiven und Gemeinschaftsgärten findet. Hier zeichne sich eine breite soziale Praxis ab, die dem kapitalistischen Kaputtbesitzen eine neue kollektive Form entgegensetzt.
Daniel Loick: Der Missbrauch des Eigentums. August-Verlag. 148 S., br., 9,80 €.
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