Ancelottis Jahreszeit bricht an
Bayern München schenkt seinem Trainer zum 1000. Pflichtspiel ein 8:0 gegen Hamburg
Es gibt sie manchmal, diese Schlüsselspiele. Sie müssen nicht einmal unbedingt entscheidend für einen Titelgewinn sein. Vielmehr sind sie als innerer Aufbruch einer Mannschaft zu verstehen und als Zeichen nach außen an die Fans. Im Rückblick einer erfolgreichen Saison, wird dann später immer auch über diese eine Partie gesprochen werden, und das 8:0 gegen den Hamburger SV könnte für den FC Bayern München so eine gewesen sein.
In der Bundesliga, da sind sich die Experten einig, war der höchste Saisonsieg wohl nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zum fünften Meistertitel in Serie. Doch mehr als die eindrucksvolle Höhe des Triumphes zählte am Samstag das Signal, das die Bayern pünktlich zum 1000. Pflichtspiel von Carlo Ancelotti auf der Trainerbank ausgesendet haben.
»Wir wollten nach jedem Treffer weitermachen mit dem Toreschießen«, sagte Robert Lewandowski. Der Pole hatte alleine drei erzielt, und wenn ihn Trainer Ancelotti nicht nach einer knappen Stunde ausgewechselt hätte, wären es vielleicht sogar noch ein paar mehr geworden. Dann hätte er mit Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang in der Torschützenliste nicht nur gleichgezogen, sondern wäre an ihm vorbeigezogen. Immerhin gab’s anschließend eine Beförderung vom Klubchef. Karl-Heinz Rummenigge hob Lewandowski auf eine Stufe mit der Münchner Sturmlegende. Er gehöre in eine Kategorie mit Gerd Müller, fand der Vorstandsvorsitzende.
Wenn es darauf ankam, haben die Münchner in dieser Saison meist ihr bestes Gesicht gezeigt. Vor der Winterpause, als sie den Emporkömmling aus Leipzig in Schach hielten, oder auch vor knapp zwei Wochen in der Champions League gegen Arsenal London. Da bewiesen sie, dass Spiellust und Gier noch da sind - und am Samstag nun bestätigte der FC Bayern, dass er die meisten Gegner noch immer fast nach Belieben beherrschen kann, wenn er nur will. »Es wird schwierig«, ahnt Ancelotti, »besser zu spielen.« Vor allem, weil es nur wenige Gegner gibt, die sich derart aufgeben werden im Duell mit den Bayern, wie es der HSV wieder einmal getan hat. Das Team von Trainer Markus Gisdol stellte sich allzu bereitwillig als Sparringspartner zur Verfügung und unterstützte das Münchener Angriffsspiel in Halbzeit zwei mit katastrophalem Abwehrverhalten.
»Es hat Spaß gemacht«, gab Thomas Müller zu, weil geklappt habe, wonach man immer suche: Spielfreude und perfekte Laufwege. Vor allem bei Müller selbst. Der Nationalstürmer hatte zuletzt oft einmal Kritik einstecken müssen: wegen seiner Torflaute, weil er nicht die Freiräume fand, die ihn zu so einem außergewöhnlichen Spieler machen, oder weil es die in Ancelottis System gar nicht gab. Am Samstag glänzte Müller als Vorlagengeber mit Präsenz und klugen Laufwegen. »Thomas ist immer wichtig für die Mannschaft, auch wenn er keine Tore schießt, auch wenn er den Ball gar nicht trifft«, sagte Arjen Robben. »Er ist ein Spieler, den man immer braucht.«
Der Bundesligaalltag schien der Mannschaft von Trainer Ancelotti in dieser Saison Schwierigkeiten zu bereiten. Begeisterung und Leichtigkeit, wie sie die Münchener unter Pep Guardiola stets in der Hinrunde gezeigt hatten, fehlten viel zu oft. Aber weil Ancelotti ruhig blieb, blieben es die Verantwortlichen auch. Der Italiener schaffte es, sowohl der Vorstandsetage als auch der Mannschaft zu verdeutlichen, dass die Form im letzten Saisondrittel stimmen müsse, wenn die Titel verteilt werden.
Weil der Bayern-Trainer mit der Fokussierung auf den Frühling schon ein paarmal gut gefahren ist, hatte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge deshalb im Vorwort des Klubmagazins von der »Ancelotti-Jahreszeit« schreiben lassen. Anders als in den vergangenen drei Jahren unter Pep Guardiola, als den Münchnern im Endspurt stets die Kraft - die körperliche und die geistige - gefehlt hatte, scheint die Mannschaft dieses Mal noch frisch genug, um sich den ganz großen Herausforderungen zu stellen. »Es werden«, das weiß Carlo Ancelotti, »schwierigere Spiele für uns kommen«.
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