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Der FC Bayern München und das Wunder von San Siro
Vor dem Viertelfinal-Rückspiel gegen Inter Mailand erinnert unser Kolumnist die Münchner an eine legendäre Aufholjagd
Eine Aufholjagd soll es also sein. Damit es weitergeht im europäischen Zirkus, dessen finale Vorstellung im Mai bekanntlich in München angesetzt ist. Da wären die Herrschaften vom FC Bayern schon gern dabei, schließlich haben sie sich für das Endspiel in der Champions League das aus dem Jahr 2012 neu aufgelegte Label »Finale dahoam« patentieren lassen. Weil nun die Stimmung nach dem verlorenen Viertelfinale dahoam gegen Inter Mailand nicht so wahnsinnig gut ist, hat Kapitän Joshua Kimmich vor dem Rückspiel am Mittwoch mit der ihm eigenen Autorität darauf hingewiesen: »Es ist jetzt nicht so, dass wir ein Wunder brauchen. Wir müssen ein Spiel gewinnen.« Und: Die Bayern haben schon ganz andere Sachen umgebogen – auch und gerade beim FC Internazionale in San Siro.
Dort spielte sich im Herbst 1988 wirklich ein kleines Wunder ab. Eine Aufholjagd – von einem Mittwoch im späten November bis zum übernächsten im frühen Dezember. Den Rahmen bot der Uefa-Cup, von Franz Beckenbauer noch nicht zum Pokal der Verlierer umgetauft. Der FC Bayern war im Umbruch: Lothar Matthäus und Andreas Brehme waren gerade zu Inter Mailand gewechselt – und kamen zum Achtelfinale nach München. Bayerns Kapitän Klaus Augenthaler ließ Matthäus über den Zeitungsboulevard wissen: »In vielen wichtigen Spielen hat er sich feige versteckt. Wir werden ihm zeigen, dass es ohne ihn besser geht.«
Früher schlicht Pokal der Landesmeister, heute Champions League: ein inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Sven Goldmann blickt auf den kommenden Spieltag.
Matthäus hielt sich im Olympiastadion in der Tat zurück und durfte mit seinem Adjutanten Brehme dennoch eine schöne Rückkehr nach München feiern. Die Bayern waren zwar dominant, fingen sich aber zwei blöde Kontertore durch Aldo Serena und Nicola Berti ein. Ansonsten spielte Inter, wie italienische Mannschaften eben so spielten in einer Zeit, als die Serie A noch als die beste der Welt galt und Inters Trainer Giovanni Trapattoni zuständig war für die taktische Ausrichtung. Nicht schön, aber effektiv. In der »Gazzetta dello Sport« hieß es: »Die Bayern wurden gedemütigt!«
Zwei Wochen später beim Rückspiel in Mailand wollten die Münchner die Angelegenheit eigentlich nur zu einem ehrenwerten Aus über die Bühne bringen. Und schossen dann plötzlich binnen acht Minuten drei Tore. Roland Wohlfahrt, Klaus Augenthaler und Jürgen Wegmann schafften dieses kleine Wunder kurz vor der Pause, aber als diese denkwürdige erste Halbzeit in ihren letzten Zügen lag, gelang Serena noch ein Tor für Inter.
In der zweiten Halbzeit spielten die Münchner dann italienisch, also ungefähr so, wie Trapattoni ihnen das später einbimsen sollte, als er in den Neunzigerjahren mal während eines drei Jahre währenden Missverständnisses die Kommandos in München gab. 45 ewige Minuten lang waren die Bayern ausschließlich auf das Halten des Ergebnisses bedacht und nicht so sehr auf die Schönheit des Spiels. Damit kamen sie durch und weiter – sehr zum Unwillen der Mailänder, die sich ungern mit ihren eigenen Waffen schlagen lassen wollten. Und diesmal feierte der deutsche Boulevard das »Wunder von San Siro«.
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