Türkei: Staatsanwalt beantragt Haftbefehl gegen Deniz Yücel

»Welt«-Journalist von Istanbuler Staatsanwalt befragt / Entscheidung noch am Montagabend erwartet

  • Lesedauer: 3 Min.

Update 17.00 Uhr: »Welt«: Journalist Yücel von Istanbuler Staatsanwalt befragt
Die türkische Staatsanwaltschaft hat Haftbefehl gegen den »Welt«-Korrespondenten Deniz Yücel beantragt. Der Journalist sei am Montagabend dem Haftrichter vorgeführt worden, meldete die »Welt«. Die Zeitung berichtete nach Yücels Vernehmung durch den Staatsanwalt, dem 43-Jährigen werde »Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung« vorgeworfen. Yücel besitzt sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft.

Der Haftrichter muss nun über Untersuchungshaft entscheiden, die in der Türkei bis zu fünf Jahre dauern kann. Der Richter kann Yücel allerdings auch freilassen und mögliche Auflagen wie eine Ausreisesperre erlassen. Mit einer Entscheidung wurde noch am späten Montagabend gerechnet.

Staatsanwaltschaft trifft inhaftierten Yücel

Istanbul. Nach 13 Tagen Polizeigewahrsam in Istanbul ist der »Welt«-Korrespondent Deniz Yücel dem Staatsanwalt vorgeführt worden. Der Staatsanwalt entscheide nach Yücels Vernehmung, ob er den Journalisten aus dem Gewahrsam entlasse oder ob er Untersuchungshaft beim Haftrichter beantrage, sagte Yücels Anwalt Ferat Cagil am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul. Yücel besitzt sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft und befindet sich seit dem 14. Februar im Istanbuler Polizeipräsidium in Gewahrsam.

Nach Angaben der Polizei wird gegen Yücel wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Terrorpropaganda und Datenmissbrauchs ermittelt. Dabei geht es um Berichte Yücels über E-Mails des Energieministers Berat Albayrak, der ein Schwiegersohn von Staatschef Recep Tayyip Erdogan ist. In den Mails soll es um dubiose Geschäfte gehen.

Unter dem derzeit geltenden Ausnahmezustand in der Türkei können Verdächtige bis zu 14 Tage in Gewahrsam gehalten werden. Demnach muss der 43-Jährige spätestens an diesem Dienstag einem Haftrichter vorgeführt oder freigelassen werden.

Der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu sagte zu Yücels Vorführung beim Staatsanwalt: »Das war längst überfällig.« Mutlu forderte die sofortige Freilassung Yücels und aller anderen Journalisten in der Türkei, die im Gefängnis sitzen. Der Abgeordnete war in der vergangenen Woche in Istanbul gewesen, um Yücel zu besuchen. Die Behörden hatten ihm aber keine Genehmigung dafür erteilt.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte die lange Haftzeit Yücels am Wochenende als »weder nötig noch fair« kritisiert. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir warf Gabriel allerdings vor, viel zu lange zu dem Schicksal Yücels geschwiegen zu haben und wertete dies in der »Bild am Sonntag« als einen »Skandal«.

Unterdessen sind aus Solidarität mit dem Inhaftierten in mehreren deutschen Städten erneut Autokorsos geplant. Am Dienstagnachmittag soll es einen durch die Kölner Innenstadt geben. Laut Angaben der Initiative »FreeDeniz« wollen die Teilnehmer auch für andere inhaftierte Journalisten in der Türkei demonstrieren. Unter anderem gibt es in Berlin, Hamburg und München ähnliche Aktionen. In Köln erwartet der Veranstalter circa 30 bis 50 Teilnehmer. Agenturen/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.