Abschieben und Steuern senken

Angesichts des anhaltenden Höhenflugs der SPD werden die Unionsparteien nervös

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie nachhaltig das Umfrage-Hoch der SPD und ihres designierten Spitzenkandidaten Martin Schulz tatsächlich ist, muss sich noch herausstellen. Eine aktuelle Emnid-Umfrage scheint zu signalisieren, dass sich jene 32 oder 33 Prozent der Zweitstimmen, die der Partei derzeit zugetraut werden, das Potenzial bereits nahezu ausschöpfen: Demnach nehmen nur 36 Prozent dem SPD-Spitzenkandidaten seine Ankündigungen ab, sich nachdrücklich für die kleinen Leute einzusetzen.

Eine Online-Umfrage von Civey sieht zwar Schulz im persönlichen Vergleich mit 44 Prozent klar vor Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit 38 Prozent. Doch glauben wiederum laut Emnid nur 36 Prozent, dass er tatsächlich Kanzler wird. Selbst unter SPD-Anhängern sei nur eine relativ knappe Mehrheit von 56 Prozent dieser Ansicht.

Nicht ganz klar ist bislang auch, auf wessen Kosten sich die SPD in den Umfragen verbessert. Während in bundesweit angelegten Umfragen Linkspartei und Grüne verlieren, seit die SPD hinzugewinnt, sieht eine aktuelle Umfrage in Berlin die LINKE stabil, während die SPD den Grünen und der CDU Stimmen abnimmt.

Unzweifelhaft aber ist die Ausgangslage vor dem Bundestagswahlkampf spannender, als es noch zu Jahresbeginn den Anschein hatte - entsprechend nervös zeigen sich die Unionsparteien. So ist es bemerkenswert, was Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe nun im Interview mit der Bildzeitung sagte: Selbst wenn alle bis Herbst anstehenden Landtagswahlen verloren gingen, werde Merkel nicht als Spitzenkandidatin ausgetauscht. »Das wird nicht passieren«, sagte er wörtlich.

Dieses merkwürdige Vorabdementi zeigt eine hochgradig nervöse Partei: »Alle, die gesagt haben, es sei ein Strohfeuer, sind ein Stück widerlegt«, warnt in der »Süddeutschen« auch Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU): Es werde »nicht reichen zu sagen, was man in der Vergangenheit gut gemacht hat«. Merkel müsse »Motivationsarbeit« leisten.

Konkret bieten sich zwei Profilierungsfelder an: Erstens wäre da ein Komplex aus Innerer Sicherheit und Flüchtlings- oder »Ausländerpolitik«, den die Union in einem kampagnenhaften Drängen auf mehr Abschiebungen aufführen könnte. In dieses Bild passen nicht nur die Aktivitäten von CDU-Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der in den vergangenen Wochen kaum noch zu einem anderen Thema in die Öffentlichkeit trat. Sondern auch der jüngste Vorstoß des Bundestags-Fraktionsvizes Michael Kretschmer, der die Abschiebung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge forcieren will. Spannend wird sein, wie die CDU im Wahlkampf mit jener symbolpolitischen Absage an die doppelte Staatsbürgerschaft umgeht, die ihr Parteitag im Dezember 2016 gegen den Willen Merkels, aber mit Unterstützung des ehrgeizigen Staatssekretärs Jens Spahn beschlossen hat.

Nach dem flüchtlingspolitischen Zickzackkurs seit 2015 ist dieses Feld für CDU und CSU indes nicht so problemlos zu bespielen wie früher. Als zweites Unionsthema zeichnet sich bisher eine »Steuerreform« ab - auch als bürgerlicher Konter auf eine etwaige sozialpolitische Profilierung der SPD. Im Dezember 2016 hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für den Fall eines Wahlsieges Steuerentlastungen von jährlich 16 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Nun wird kräftig draufgelegt: Carsten Linnemann von der Mittelstandsvereinigung der Union spricht in der »Rheinischen Post« von »mindestens 20« und »eher 30 Milliarden«; auch könne der Solidaritätszuschlag in zwei bis drei Schritten bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode komplett abgebaut werden und nicht, wie Schäuble derzeit sagt, zwischen 2020 und 2030. Zudem könnten die Beschäftigtenabgaben zur Arbeitslosenversicherung von drei auf 2,7 Prozent des Monatsbruttos sinken. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt stimmt in die Steuer- und Soliforderungen ein.

2016 hatten Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherung einen Überschuss von 24 Milliarden Euro erwirtschaftet. In der SPD wurden bisher überwiegend Stimmen laut, die Haushaltssituation sei besser für »Zukunftsinvestitionen« zu nutzen als etwa für Schuldentilgung in Zeiten historisch niedriger Zinsen.

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