Martin Schulz wäre kein Klimakanzler

Eva Bulling-Schröter fragt sich, wie der SPD-Kanzlerkandidat zu ökologischen Fragen steht und findet eine ernüchternde Antwort

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In den Umfragen ist Schulz im Aufwind. Die SPD wittert Morgenluft. Im Kanzleramt geht das Gespenst des Merkel-Endes um. Die Union versucht, das vermeintlich unbeschriebene Blatt zu beschmutzen. Und alle Welt fragt sich: Was ist von diesem Schulz zu erwarten? Diese Frage gilt auch für Umwelt- und Klimapolitik, die immer auch soziale Gerechtigkeit stärkt. Schon lange bin ich in der Politik. Und schon sehr lange mache ich linke Ökopolitik. Dass Politikerinnen und Politiker im Wahlkampf viel versprechen, nach gewonnener Wahl aber auch genau so viel vergessen, ist eine Binsenweisheit. Aber was wissen wir eigentlich über das ökologische Profil des Buchhändlers aus Würselen? Was will Kanzler Schulz gegen Klimawandel, Artensterben und Umweltzerstörung auf den Weg bringen? Was sind seine grünen Wahlversprechen? Denn schon der große Willy Brandt, Ur-Vater der Sozialdemokratie nach dem Zweiten Weltkrieg, hatte seinen politischen Erben mit auf den Weg gegeben, dass der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.

Ich muss zugeben, keiner weiß etwas über den Öko-Gestaltungswillen des Martin Schulz. Nirgends etwas, in welche Richtung es ökologisch gehen wird. Auf seiner so beklatschten Antrittsrede zur Vorstellung des SPD-Kanzlerkandidaten am 29. Januar 2017 kam das Wort Umwelt ganze zwei Mal vor. Fast zwei Stunden geredet, die Natur kein einziges Mal erwähnt. Es ginge darum, so der Ex-Bürgermeister seiner kleinen Heimatstadt im ehemaligen Aachener Steinkohlerevier, die »Umwelt auch im Interesse der nachfolgenden Generationen zu schützen«.

Ach nee! Dieses Ziel gibt heute wirklich jeder vor, gleich ob Trump, Petry oder der Papst. Alle reden davon. Es geht aber ums gestalten. Wie kommen wir also zu einer nachhaltigen Wirtschaft, einem guten Leben für Alle, ohne die Natur auf Raten zu zerstören, lieber Kanzlerkandidat? Schulz´ens Antwort ist so konkret wie die eines FDPlers, die im fehlenden Gestaltungswillen neoliberaler nicht sein könnte.

Umweltschutz bedeutet für den Sohn eines Polizisten, seine Mutter war übrigens Mitbegründerin eines CDU-Ortsvereins, »nicht nur globale Klimaabkommen zu schließen – das auch -, sondern auch auf lokaler Ebene für eine nachhaltige Landwirtschaft mit gesunden Lebensmitteln zu sorgen und den Landschafts- und den Tierschutz endlich ernst zu nehmen.«

Ja, wir nehmen das ernst, lieber Herr Schulz, schon lange. Schon verstanden. Aber geht's vielleicht etwas handfester? Butter bei die Fische! Ein Datum für den Kohleausstieg wäre nicht schlecht. Dafür Geld vom Bund für den Strukturwandel in den alten Kohlerevieren im Osten und Westen. Ein stärkeres Ausbauziel für Erneuerbare Energien in Deutschland wäre auch hilfreich. Ein Ende fossiler Subventionen durch den Steuerzahler, etwa für Ölheizungen, auch gut. Mehr Rechte für Fahrradfahrer im Straßenverkehr, das ließe sich machen, mehr Radwege. Den klimafreundlichen Bahnverkehr billiger machen, runter mit den Ticketpreisen. Schluss mit der Export-Orientierung der Landwirtschaft, mehr Ökolandbau und regionale Lebensmittel. Für ein Verbot von Gentech und Klonen. Keine Gen-Soja-Futtermittel-Importe aus Südamerika, wo der Regenwald abgeholzt wird und einige wenige reich werden lässt. Schluss mit der Ausverkauf-Privatisierung von bundeseigenem Boden.

Doch ich finde nur Plattitüden in der großen programmatischen Rede im Willy-Brandt-Haus: »Der Schutz unserer Umwelt ist die zentrale Aufgabe unserer Generation. Wir dürfen unseren Kindern und Enkelkindern kein vergiftetes Erbe hinterlassen.« Wo ich auch suche: in Interviews, in Zeitungen, Archiven, nirgends ein ökologischer Fußabdruck des ehemaligen Präsidenten des EU-Parlaments.

Auch Greenpeace begab sich auf Spurensuche: »Fragt man dieser Tage die Brüsseler Büros der großen NGOs, was Schulz zum Umweltschutz beigetragen hat, herrscht jedoch vorwiegend Ratlosigkeit.« Ein großer Fan von CETA und TTIP sei er. Aber das wissen wir ja schon über den Rettungsengel der darniederliegenden Sozialdemokratie (Auch, dass das Klima durch mehr Handel leidet und Freihandelsabkommen mit Abbau von Umwelt- und Verbraucherschutz einhergehen). Es macht stutzig, dass ein Kandidat um das mächtigste Amt im Land mit dem größten CO2-Ausstoß in Europa, eine der größten Industrienationen der Welt, zu den dringlichen Menschheitsfragen wie Erderwärmung, Artensterben und Vernichtung von Lebensraum nicht einmal vor der Wahl etwas handfestes zu sagen hat.

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