Absage durch die Hintertür
Stadt Gaggenau sperrt Saal für Auftritt von türkischem Justizminister
Die Nachricht über den vorgesehenen Auftritt des türkischen Justizministers Bekir Bozdağ am Donnerstagabend in der badischen Kleinstadt Gaggenau kam überraschend. Erst am Vortag hatte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, noch versichert, dass in absehbarer Zeit kein Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Ergogans in Deutschland geplant sei. Kein Wort verlor er darüber, dass nun Erdogans Justizminister für die umstrittene Verfassungsreform in der Türkei werben sollte, über die im April auch rund 1,4 Millionen Türken in Deutschland abstimmen dürfen. Bozdağ ist auch jener Minister, der zu verantworten hat, dass der Türkei-Korrespondent der Zeitung »Die Welt«, Deniz Yücel, unter dem zweifelhaften Vorwurf der Terrorpropaganda und Volksverhetzung in Istanbul in Untersuchungshaft sitzt.
Doch die Stadt Gaggenau machte dem Justizminister einen Strich durch die Rechnung. Sie sagte die Veranstaltung in der Festhalle kurzerhand ab, weil der erwartete Andrang zu groß gewesen wäre, wie es hieß. »Wir gehen davon aus, dass die Situation zu gefährlich werden könnte«, begründete der Bürgermeister Michael Pfeiffer (parteilos) die Entscheidung. Er betonte, der Schritt der Kommune sei kein politischer gewesen.
Dabei löste der angekündigte Besuch Bozdağs parteiübergreifend heftige Kritik aus. Bernd Riexinger, Ko-Vorsitzender der Linkspartei, befand, dass Erdogan »die Bundesregierung am Nasenring durch die Manege« führe. Für ihn war klar, dass Bozdağ für Erdogans »Allmachtsfantasien« auf Stimmenfang gehen wolle. Am 14. April sollen die Türken in einem Referendum über die Einrichtung eines Präsidialsystems entscheiden, das Erdogan erheblich mehr Befugnisse einräumen soll.
Auch FDP-Chef Christian Lindner sprach sich gegen eine »systematische türkische Staatspropaganda auf deutschem Boden« aus. Grünen-Chef Cem Özdemir meinte indes, wenn Erdogan und seinen Minister erlaubt werden solle, in der Bundesrepublik zu reden, dann müsse im Gegenzug die Opposition freigelassen werden. »Gebt ihr die Möglichkeit, selbst bei Veranstaltungen aufzutreten. Hört auf, die Presse zu knechten, lasst Deniz Yücel und die anderen frei. Dann könnt Ihr unser Gastrecht nutzen.«
Sevim Dagdelen (LINKE) begrüßte schließlich das Auftrittsverbot für Bozdağ in Gaggenau. Die Bundestagsabgeordnete sieht allerdings nicht die Kommunen für solche Entscheidungen in der Pflicht, sondern Kanzlerin Angela Merkel. »Die Bundesregierung darf sich nicht länger vor einer politischen Entscheidung drücken. Sie muss und kann den Werbefeldzug Erdogans und seiner Minister für Diktatur und Todesstrafe in Deutschland unterbinden.«
Neben Bozdağ hatte auch der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci einen Wahlkampftermin in Deutschland geplant. Zeybekci soll am Sonntagabend in Köln auftreten. Die der türkischen Regierungspartei AKP nahestehenden Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) hatte dort bereits vor Monaten einen Saal für eine Theaterveranstaltung angemietet und versuchte nun, den Termin kurzerhand in eine Informationsveranstaltung umzuwidmen. Doch die Stadt Köln ließ den dafür vorgesehenen Saal jetzt ebenfalls sperren.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.