Berlin um Beruhigung bemüht

Regierung weist Erdogans Nazi-Vergleich als »absurd und deplatziert« zurück

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die Bundesregierung verwahrt sich gegen den Nazi-Vergleich des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. »Eine Gleichsetzung der Politik des demokratischen Deutschland mit der des Nationalsozialismus weisen wir entschieden zurück«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte: »Solche deplatzierten Äußerungen kann man ernsthaft eigentlich gar nicht kommentieren«, sagte Merkel am Montag in Berlin. Auch bei den Parteien und der Türkischen Gemeinde stieß Erdogans Vergleich erneut auf Kritik. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) wandte sich gegen ein EU-weites Einreiseverbot für türkische Politiker.

Erdogan hatte den deutschen Behörden Nazi-Methoden vorgeworfen, nachdem an einigen Orten Wahlkampfauftritte türkischer Minister untersagt worden waren. Die Regierungsvertreter hatten für ein Ja beim Referendum über die umstrittene Verfassungsreform werben wollen, die Erdogans Machtbefugnisse ausweiten soll.

Solche Nazi-Vergleiche seien »immer absurd und deplatziert«, da sie nur dazu führten, die Menschheitsverbrechen der Nationalsozialisten zu verharmlosen, sagte Seibert. Die Bundesregierung bleibe »sehr an einem guten Verhältnis zur Türkei interessiert«, betonte er.

Mit Blick auf weitere Auftritte türkischer Regierungsmitglieder stellte er klar: »Die Bundesregierung arbeitet nicht an irgendwelchen Einreiseverboten.« Die Auftritte seien »innerhalb des Rechts und der Gesetze« in Deutschland möglich, sie müssten zudem »ordnungsgemäß, rechtzeitig und mit offenem Visier« angekündigt werden und dann auch genehmigt sein.

Der Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, sagte dem Sender NDR Info, Erdogan sei mit dem Nazi-Vergleich »einen Schritt zu weit gegangen«. Auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber bezeichnete den Nazi-Vergleich als »unsäglich« und wies ihn »aufs Schärfste zurück«. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley zeigte sich besorgt, »dass sich der Ton zwischen Deutschland und der Türkei immer weiter verschärft«.

Gabriel telefonierte am Sonntagabend nach Angaben von Außenamts-Sprecher Martin Schäfer mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu. Dabei seien auch die jüngsten Äußerungen aus Ankara thematisiert worden. Beide Minister sprachen darüber, dass der Gesprächsfaden nicht abreißen solle und wie die »insgesamt sehr aufgeheizte Debatte wieder in ruhigeres Fahrwasser« kommen könne.

Zum Vorschlag des österreichischen Bundeskanzlers Christian Kern für ein EU-weit abgestimmtes Vorgehen sagte Gabriel am Montag in Brüssel, er denke, »dass jedes Land dazu eine eigene Auffassung hat«. Und es sei normal, dass türkische Politiker die in ihrem Land wahlberechtigten Bürger ansprechen wollten. Aber dies müsse respektvoll und anständig geschehen.

Für Mittwoch ist ein Treffen von Gabriel mit Cavusoglu in Berlin geplant. Am Dienstag will der türkische Außenminister Polizeiangaben zufolge in Hamburg an einer Veranstaltung teilnehmen. Zu dieser Veranstaltung kündigte der »Freundeskreis FreeDeniz« einen erneuten Autokorso an. Einen solchen Protest hatte die Gruppe bereits zuvor in mehreren Städten organisiert. AFP/nd

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