Terrorprozess gegen »Gruppe Freital« - Angeklagte schweigen
Erstes Terrorverfahren in Sachsen / Am Morgen Entwarnung nach Sprengstoff-Verdacht
Dresden. Den mutmaßlichen Rechtsterroristen der »Gruppe Freital« wird seit Dienstag in Dresden der Prozess gemacht. Die Anklage wirft sieben Männern und einer Frau im Alter zwischen 19 und 39 Jahren die Bildung einer terroristischen Vereinigung vor. Im Zusammenhang mit fünf Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte und politische Gegner in Freital und Dresden wird ihnen außerdem versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und die Herbeiführung von Sprengstoffexplosionen zur Last gelegt, ferner die Vorbereitung eines sogenannten »Explosionsverbrechens« mit Rohrbomben.
Mit ihren zwischen Juli und November 2015 begangenen Taten hätten die Angeklagten die »Bevölkerung verunsichern« und ein Klima der Angst erzeugen wollen, sagte Bundesanwalt Jörn Hauschild. Ziel der Gruppe sei es gewesen, ihre »rechtsextremistische Gesinnung mittels Anschlägen durchzusetzen«. Laut Anklage ging die Gruppe arbeitsteilig vor. Als führender Kopf gilt der aus Hamburg stammende Neonazi Timo S. Sein Gesinnungsgenosse Patrick P. sei für die technischen Details der Anschläge zuständig gewesen, hieß es. Er habe die Sprengsätze vorbereitet. Zum Einsatz kamen illegale Böller, von denen einige die 130-fache Sprengkraft der in Deutschland zulässigen Pyrotechnik besaßen.
München. »Wehrsportgruppen« und »NSU«, »Freikorps Havelland« und »Kameradschaft Süd«: Rechtsextreme Gruppen terrorisieren seit Jahrzehnten das Land. Laut einer Zählung des Terrorforschers Daniel Köhler verübten Rechtsradikale seit 1971 mehr als 2100 Brandanschläge und 229 Morde.
Ihre Angriffe richten sich besonders oft gegen vermeintliche oder tatsächliche Ausländer, gegen staatliche Institutionen, Juden und Linke, in jüngster Zeit auch häufiger gegen Muslime. Beispiele für Prozesse wegen Rechtsterrorismus:
- - Im Mai 2005 verurteilt das Bayerische Oberste Landesgericht in München den Neonazi Martin Wiese zu sieben Jahren Haft. Als Anführer einer selbst ernannten »Schutzgruppe« hatte er einen Bombenanschlag auf die Einweihungsfeier des Jüdischen Zentrums in München geplant. Wiese und die drei mit ihm verurteilten Täter waren Mitglieder der rechtsextremen Vereinigung »Kameradschaft Süd«.
- Seit Mai 2013 wird in München gegen Beate Zschäpe und mutmaßliche Unterstützer der Terrorzelle »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) verhandelt. Über Jahre sollen Zschäpe und ihre Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt laut Bundesanwaltschaft unerkannt gemordet haben. Zwischen 2000 und 2007 erschoss die Gruppe nach derzeitigen Erkenntnissen zehn Menschen. Zudem soll sie mit Sprengstoffanschlägen Dutzende verletzt haben.
- Seit April 2016 läuft vor dem Oberlandesgericht München der Prozess gegen den mutmaßlichen Gründer der »Oldschool Society« (OSS), Andreas H., und drei Mitangeklagte unter anderem wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass sie als OSS-Mitglieder Anschläge auf Asylbewerber-Unterkünfte und Salafisten planten. dpa/nd
Nach der Anklageschrift attackierten die Beschuldigten Flüchtlingsunterkünfte in Freital, ein Parteibüro der LINKEN und das Auto eines LINKE-Politikers in der Kleinstadt sowie ein alternatives Wohnprojekt in Dresden. Bei einem der Sprengstoffanschläge wurde ein Asylbewerber durch herumfliegende Glassplitter verletzt. Glücklichen Umständen ist es zu verdanken, dass keine Menschen zu Tode kamen oder schwer verletzt wurden. Laut Anklage wurden die Entscheidungen zu den Angriffen gemeinsam getroffen. Timo S. und Patrick F. seien für die Organisation aber maßgeblich gewesen.
Der Vorsitzende Richter Thomas Fresemann setzte die Anklageverlesung entgegen Anträgen der Verteidiger durch. Diese hatten zuvor sowohl die Besetzung des Gerichts bemängelt als auch einen Befangenheitsantrag gegen Fresemann stellen wollen. Die Verteidiger bemängelten, dass der zuständige Strafsenat des Oberlandesgerichtes eigens für dieses Verfahren zusammengestellt wurde und sprachen von einer »gezielten Richterzuweisung«. Damit sehen sie das Gericht als befangen an.
Die Antragsstellungen wurden auf Beschluss des Gerichts zunächst zurückgestellt. Sieben der acht Angeklagten weigerten sich deshalb, Angaben zu ihrer Person zu machen.
Der Prozess hatte am Vormittag unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen begonnen. Zuschauer und Medienvertreter mussten Sicherheitsschleusen durchqueren. Zunächst hatte sich der Einlass verzögert, weil zwei Sprengstoffspürhunde im Bereich einer Toilette angeschlagen hatten und im Saal ein merkwürdiger Geruch wahrgenommen wurde. Kurze Zeit später konnte die Polizei aber Entwarnung geben: Die Hunde hätten auf ein Gummireinigungsmittel reagiert. Agenturen/nd
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