Ohne Kohle wird es billiger
Studie errechnet geringere Belastung der Stromnetze bei Verzicht auf neue Tagebaue
Am Dienstagnachmittag besuchten die Vorstände der CDU-Landtagsfraktionen von Sachsen und Brandenburg das Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe und sprachen dort mit Helmar Rendez, dem Vorstandsvorsitzenden der Lausitz Energie AG, und mit Betriebsräten. Nach einem Betriebsrundgang stellten die beiden CDU-Fraktionen am späten Nachmittag ein gemeinsames Positionspapier »Zukunft der Lausitz« vor. Die Braunkohle sei »Anker der Region und ein Garant für Versorgungssicherheit und ein hohes Maß an Wertschöpfung«, hieß es.
Die Grünen wollen keine neuen Tagebaue. Wichtiger als ein konkretes Datum sei, dass der schrittweise Ausstieg aus der Kohle jetzt endlich beginne, sagen sie. Die Landtagsfraktion gab dazu eine Studie beim Reiner-Lemoine-Institut und bei Professor Jochen Twele von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft in Auftrag. Die Studie wurde am Montag vorgelegt. Fünf Wissenschaftler befassten sich mit der Frage, wie lange die Braunkohle noch für eine sichere Energieversorgung benötigt werde. Dazu analysierten sie die Energiestrategie 2030 der rot-roten Landesregierung und begutachteten drei Varianten. In Szenario 1 spielten sie eine Umsetzung der Energiestrategie durch, kamen jedoch zu dem Schluss, dass wesentliche Annahmen der Strategie bereits überholt seien: Die mögliche Energieeinsparung sei zu hoch angesetzt, es müsse nicht so viel Strom exportiert werden. Die umstrittene CCS-Technologie, mittels der bei der Braunkohleverstromung entstehendes CO2 abgeschieden und verpresst werden sollte, werde nicht zur Anwendung kommen. Dies kalkulierten die Experten in Szenario 2 mit ein. In Szenario 3 rechneten sie durch, wie Brandenburg ohne Braunkohle auskommen könnte.
»Die von der Landesregierung immer wieder aufgestellte Behauptung, die Abschaltung des Kraftwerks Jänschwalde bis 2030 gefährde die Versorgungssicherheit, solange keine neuen Speichertechnologien für die erneuerbaren Energien zur Verfügung stünden, erweist sich laut der Studie als falsch«, sagte die Landtagsabgeordnete Heide Schinowsky (Grüne). »Zudem wurde belegt, dass der Aufschluss neuer Tagebaue mit den in der Energiestrategie 2030 verankerten Klimaschutzzielen inkompatibel ist.« Höchste Zeit sei es, dass die Regierung »deutlich mehr Engagement bei der Gestaltung des Strukturwandels in der Lausitz zeige«. Mit dem Mitte Februar angekündigten Programm zum Aufbau industrieller Energiespeicher habe Brandenburg bereits den richtigen Weg eingeschlagen, lobte Schinowsky.
Verblüffend ist die Erkenntnis der Studie, dass beim Vergleich der drei Szenarien die Belastung der Stromnetze bei einem Verzicht auf die Kohle am niedrigsten wäre. Der Ausbau der Stromnetze wäre dann nicht notwendig und die Netzentgelte würden geringer ausfallen, was sich dämpfend auf die Strompreise auswirken würde. Dieser Befund erklärt sich allerdings so, dass zwar davon ausgegangen wird, dass Berlin die Hälfte seines Energiebedarfs aus brandenburgischen Quellen decken müsse, ansonsten aber weniger Export notwendig sei als geglaubt.
Die Notwendigkeit neuer Stromtrassen wird bisher oft damit begründet, dass Windenergie aus dem Norden Deutschlands in den Süden geleitet werden müsste.
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