»Ein Kandidat Deutschlands«
Polnischer Regierungsparteichef warnt vor Wiederwahl des EU-Ratspräsidenten Tusk
Seine Wiederwahl für weitere zweieinhalb Jahre war eigentlich fest eingeplant gewesen. Doch vor wenigen Tagen hat die nationalkonservative polnischen PiS-Regierung dem amtierenden EU-Ratspräsidenten Donald Tusk die Unterstützung für die zweite Amtszeit entzogen - und den liberal-konservativen EU-Abgeordneten Jacek Saryusz-Wolski nominiert. Dieser gehörte bis vor wenigen Tagen noch der Bürgerplattform (PO) an, die der Pole Tusk übrigens jahrelang vorsaß. Am Mittwoch konkretisierte PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski seine Ablehnung: Tusk sei ein »Kandidat Deutschlands«, der nicht für polnische Interessen einstünde. Seine Wiederwahl würde die Krise in der EU verschärfen, so der starke Mann in Warschau.
Ebenfalls am Mittwoch appellierte Ministerpräsidentin Beata Szydlo in einem Brief an die Regierungschefs der EU, sie mögen sich eine Wiederwahl Tusks noch einmal »gut überlegen«. Er sei in seinem Amt zur Neutralität verpflichtet, habe diese jedoch »missbraucht«, um die Opposition in Polen zu unterstützen.
Tatsächlich hatte der Ratspräsident bei einem Auftritt in Wroclaw im Dezember 2016 seine einstigen Parteikollegen indirekt dazu ermuntert, die zu dieser Zeit andauernde Sejm-Blokade fortzusetzen. Derweil ungeklärt bleibt die Frage, weshalb der liberale Saryusz-Wolski das zweifelhafte Angebot der PiS angenommen hat. »Jacek hat sich instrumentalisieren lassen, aber mit Illoyalität gewinnt man keine Freunde«, glaubt der PO-Abgeordnete Andrzej Halicki. Im liberalen Lager wurde Saryusz-Wolski bereits als »Verräter« gebrandmarkt, die Tür seines Lodzer Büros von Unbekannten verwüstet. Zwei Tage nach der Bestätigung seiner Gegenkandidatur wurde ihm prompt die Mitgliedschaft in der PO gekündigt. Allerdings darf bezweifelt werden, dass er sich unreflektiert zu diesem Schritt entschloss. Der Ökonom gilt als erfahren und intelligent, war 2004 Unterhändler in den Beitrittsgesprächen Polens mit der EU. Bezeichnenderweise hält Saryusz-Wolski seiner früheren Partei genau das vor, wozu er sich heute unter dem Schild der PiS hat selbst hinreißen lassen: polnische Konflikte auf europäischer Bühne auszutragen.
Die EU-Kommission indes rechnet mit einer Bestätigung von Donald Tusk als Ratspräsident. Die Personalie soll gleich zu Beginn des Gipfels geklärt werden.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.