Wagenknecht: Mit »Lobbykraten hat die EU keine Zukunft«
Linksfraktionschefin fordert vor Gipfeltreffen in Brüssel einen demokratischen Neuanfang in Europa
Berlin. Die LINKEN-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht verlangt vor dem EU-Gipfel in Brüssel einen grundlegenden Kurswechsel in der Europäischen Union. »Wer antieuropäischen Stimmungen den Boden entziehen will, muss sich für einen demokratischen Neuanfang in Europa einsetzen, bei dem soziale Rechte größeres Gewicht bekommen als Kapitalfreiheiten«, sagte Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. »Lässt man dagegen die Brüsseler Lobbykraten so weitermachen wie bisher, hat die EU keine Zukunft.«
Thema des Gipfels, der am Nachmittag beginnt, ist vor allem die Wirtschaftslage Europas. Zuvor gibt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag eine Regierungserklärung zur EU ab.
Von dem Gipfel sei nicht viel erwarten, sagte Wagenknecht. Die Linksfraktionschefin zeigte sich darüber enttäuscht: »Die EU ist in einer schweren Krise und muss endlich aufwachen.« Bei den anstehenden Wahlen in den Niederlanden und Frankreich würden rechte Parteien wohl stark abschneiden. Angesichts wachsender Ungleichheit und Armut sowie Abstiegsängsten in der Mittelschicht sei es nicht erstaunlich, dass sich viele von der Demokratie und der heutigen EU abwendeten. Die EU-Institutionen hätten sich »als Antreiber von Sozialabbau« hervorgetan.
»Wenn die Kanzlerin die soziale Marktwirtschaft in Europa verbreiten will, sollte sie zunächst in Deutschland anfangen«, forderte Wagenknecht. Knapp die Hälfte der Bevölkerung habe laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut DIW heute ein geringeres Einkommen als 1999. »Was ist daran sozial?« Angesichts unterschiedlicher Traditionen sei es auch falsch, allen EU-Ländern die gleiche Wirtschaftspolitik aufzwingen zu wollen. Italien etwa habe sich mit der inflationären Lira besser entwickelt als mit dem harten Euro. »Das Signal, alle müssten alles so machen wie Deutschland, provoziert nur Aversionen und Ablehnung«, so die Politikerin.
»Die EU-Kommission regiert immer hemmungsloser in die einzelnen Länder hinein und macht Druck für Lohnsenkungen, Rentenkürzungen, Privatisierungen.« Statt mit gemeinsamer Anstrengung die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, setzten die EU-Länder auf eine massive Erhöhung der Rüstungsausgaben.
»Wir haben zur Regierungserklärung der Kanzlerin einen Antrag eingebracht, in dem die deutsche Regierung aufgefordert wird, sich von dem aberwitzigen Zwei-Prozent-Ziel bei den Rüstungsausgaben zu verabschieden und dafür auch bei den europäischen Partnern zu werben«, kündigte Wagenknecht an. Ein Nato-Beschluss verlangt, dass die Mitgliedstaaten bis 2024 mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts fürs Militär ausgeben. Wagenknecht forderte: »Statt Milliarden für Kriegsgerät zu verschleudern, sollte das Geld lieber in Bildung und eine gute öffentliche Infrastruktur investiert werden.« dpa/nd
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