Schöne Worte vom Exportweltmeister
Guido Speckmann zu Angela Merkels zynischem Plädoyer für Offenheit
»Europa darf sich niemals einigeln, abschotten und zurückziehen«, sagt die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung. Eine Aussage, die in den Ohren der Migranten, die unter Lebensgefahr versuchen, über das Massengrab Mittelmeer nach Europa zu gelangen, wie Hohn klingen muss. Aber sie waren ohnehin nicht angesprochen. Merkel meinte die Offenheit in der Handelspolitik.
Sie spielte damit auf die protektionistische und nationalistische Wirtschaftspolitik des neuen US-Präsidenten an. Trump hält nicht viel vom Freihandel, womit er mit einem Konsens der liberalen Elite in den kapitalistischen Staaten bricht. Allerdings ist die schematische Entgegensetzung von Freihandel - ein schönes Wort, weil die Vorsilbe »frei« an Freiheit erinnert - und Protektionismus - eine hässliche Vokabel, weil sie mit Nationalismus und Isolationismus gleichgesetzt wird - viel zu simpel. Die Praxis ist komplizierter. So nahm die EU 2014 16 Milliarden Euro durch Importzölle ein. Aber doch nur, weil die Chinesen mit ihrem subventionierten Stahl unfairen Handel betreiben, lautet die Rechtfertigung. Und was sagen die ghanaischen Geflügelzüchter, die von der tiefgefrorenen und subventionierten Ausschussware aus Europa niederkonkurriert werden? Unfairer Handel! So zeigt sich: Offenheit muss man sich in der kapitalistischen Konkurrenz leisten können. Merkel als Kanzlerin des Exportweltmeisters Deutschland kann es, andere Staaten nicht.
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