Chancen der Wilders-Gegner steigen vor Niederlande-Wahl

Premier Rutte profiliert sich in Türkei-Krise / Grüner Spitzenkandidat zieht viele Wähler an

  • Fabian Busch, Amsterdam
  • Lesedauer: 3 Min.

Amsterdam. Die diplomatische Krise in den Beziehungen mit der Türkei dürfte dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte recht gelegen kommen. Am Mittwoch wählen seine Landsleute, und der liberale Politiker war zuvor im Wahlkampf ein bisschen untergegangen. Mit seinem harten Auftreten gegenüber der Türkei und den Auftrittsverboten für türkische Politiker vom vergangenen Wochenende versucht er jetzt offensichtlich, dem Rechtspopulisten Geert Wilders den Wind aus den Segeln zu nehmen. Rutte ist plötzlich wieder der präsenteste Politiker in den Medien.

Ob die Eskalation mit der Türkei die Wahlergebnisse beeinflussen kann, ist noch nicht absehbar. Allerdings ist sie bisher kein echtes Streitthema im Wahlkampf. Die meisten Parteien stehen hinter Ruttes Kurs. Rechtspopulist Geert Wilders verbreitete über den Nachrichtendienst Twitter die etwas bemühte Botschaft, das Landeverbot für den türkischen Außenminister sei nur auf seinen Druck hin verhängt worden. Schon zuvor hatte die Kurve der Umfrageergebnisse für seine Partei für die Freiheit nach unten gezeigt. Momentan steht sie mit rund 13 Prozent auf Platz zwei hinter Ruttes konservativ-liberaler VVD.

Wilders vorheriger Höhenflug hat zudem auch die Anti-Populisten gestärkt. Im linken Parteienspektrum zieht der Grünen-Spitzenkandidat Jesse Klaver alle Aufmerksamkeit auf sich. Wer am vergangenen Donnerstag keine Karten bekommen hatte, konnte live im Internet mitverfolgen, wie der 30-Jährige sich hinter der Bühne auf seinen bisher größten Auftritt vorbereitete: Klaver verlagerte sein Gewicht vom einen aufs andere Bein, wie ein Sportler vor dem Wettkampf. Dann ging er die Treppe hoch, Applaus brandete auf. 5000 Menschen wollten ihn an diesem Abend in einer ausverkauften Amsterdamer Mehrzweckhalle sehen und hören. Eine enorme Zahl für niederländische Verhältnisse, wo Großkundgebungen vor Wahlen eher unüblich sind.

Klavers Partei Grün-Links könnte ihr Ergebnis aktuellen Umfragen zufolge im Vergleich zur vorigen Wahl vervierfachen. Jessias nennen sie ihn. Oder den niederländischen Kennedy. Klaver wuchs bei seiner Mutter in einer Sozialwohnung auf, sein Vater stammt aus Marokko. »Er strahlt Optimismus aus«, sagt Noortje Blokhuis, die Vorsitzende der Jugendorganisation von Grün-Links. »Wir merken, dass seine Botschaft von Hoffnung und Zusammenhalt viele Menschen anspricht.«

Neben den Grünen rechnen auch die linksliberalen Demokraten 66 und die christdemokratische Partei CDA mit guten Ergebnissen. Wilders muss sich inzwischen womöglich fragen, ob er die richtige Wahlkampfstrategie gewählt hat. An Fernsehdiskussionen nahm er bisher praktisch nicht teil, ließ sich dafür in sozialen Medien aus. Über den Nachrichtendienst Twitter verbreitete er ein Bild, das den linksliberalen Spitzenkandidaten Alexander Pechtold auf einer Demonstration mit radikalen Islamisten zeigte. Das Foto war gefälscht.

Die Show stehlen Wilders inzwischen die anderen Politiker. Droht dem Populisten also vielleicht sogar eine Schlappe? Das vorherzusagen, wäre sicherlich zu früh. Die Zahl der noch unentschlossenen Wähler ist so hoch wie nie. Und am Dienstagabend kommen die Spitzenkandidaten zur abschließenden Fernsehdebatte zusammen. Dieses Mal mit Wilders.

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