Service brutal
Bundesinnenminister de Maizière eröffnete Koordinierungszentrum für Abschiebungen
Die Politik setzt alles daran, einen möglichst entschlossenen Eindruck zu vermitteln, wenn es um die Abschiebung von Asylbewerbern geht. Am Montag zeigte sich dies beim Besuch von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im »Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr« (ZUR) in Berlin, das formell seinen Betrieb aufnahm. Die Regierungschefs von Bund und Ländern hatten die Einrichtung des Zentrums Anfang Februar vereinbart. Die Zahl der freiwilligen Rückführungen und Abschiebungen seien im letzten Jahr gestiegen, sagte der Bundesinnenminister beim Besuch des Zentrums mit dem freundlichen Namen. »Und trotzdem reicht das nicht aus.« Die Anstrengungen für Rückführungen müssten erhöht werden - freiwillig und nicht freiwillig. An der Eröffnung nahm auch Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) teil.
Einige Bundesländer hatten immer wieder darauf hingewiesen, dass ihnen die Hände gebunden seien, wenn es beispielsweise um die Beschaffung von Dokumenten für Flüchtlinge gehe. Das könne nur der Bund lösen, argumentierten sie, und der Bundesinnenminister nahm die Anregung dankbar auf. Schon seit einiger Zeit ist er um eine Zentralisierung der Asyl- und Ausländerangelegenheiten bemüht, die zum Teil Ländersache sind. Auch für die Abschiebungen sind die Länder verantwortlich. Bisher.
Im neuen Zentrum sollen Bund- und Landesbehörden zusammenarbeiten; jedes Land soll mit mindestens einem Beamten vertreten sein. Chef wird Christian Klos, Leiter Stab Rückkehr im Bundesinnenministerium. Bei Sammelabschiebungen dürfte dies den Einfluss des Bundes und die Effektivität erhöhen. Der Vollbetrieb des Zentrums ist nach Angaben des Bundesinnenministeriums ab Mai geplant. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, kommentierte die neue Einrichtung mit den Worten: »Die Bundesregierung möchte schon lange Abschiebungen zentralisieren, um so die Skrupel einzelner Länder gegen Abschiebungen in Kriegsgebiete kurzerhand übergehen zu können.«
Die Frage, warum dieser Eifer eigentlich nötig ist, wird allgemein als beantwortet betrachtet - weil die Zahl der abgelehnten Asylbewerber steigt und in der Zukunft weiter steigen wird, heißt es in der Regel. Sogar in der Begründung eines Gesetzes »zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht« findet sich diese Behauptung. So, als würden das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seine Entscheidungen und die Verwaltungsgerichte im Streitfall ihre Urteile vorab an das Bundesinnenministerium übermitteln, hieß es da: In den nächsten Monaten werde »fortlaufend eine hohe Zahl von Asylanträgen von Personen« abgelehnt werden, die keines Schutzes in Deutschland bedürften. »Die Zahl der Ausreisepflichtigen wird dadurch 2017 weiter steigen.«
Dabei sieht die Realität bisher ganz anders aus. Wie Ulla Jelpke in einer regelmäßigen Anfrage an die Bundesregierung erst jüngst bestätigt fand, wächst die Zahl der ausreisepflichtigen Ausländer keineswegs in nennenswertem Maße. Ausreisepflichtige ohne Duldung waren laut Bundesregierung 2016 in einer Größenordnung von 54 000 registriert, das sind 5000 mehr als im Jahr zuvor. Insgesamt stieg die Zahl der Ausreisepflichtigen im Jahresverlauf um etwa 3000 Personen, von 204 500 auf 207 500 Ende 2016. Ulla Jelpke weist darauf hin, dass es auch bei abgelehnten Asylsuchenden oft gute Gründe für ihren weiteren Aufenthalt gibt. »Die jeweiligen Umstände des Einzelfalls geraten aus dem Blick, wenn der Vollzug der Abschiebung dem Bund übertragen wird.«
Obwohl die Zahl der Ausreisepflichtigen in etwa gleich bleibt, werden politisch absurd überhöhte Werte verwendet. So waren für 2016 rund 300 000 Ausreisepflichtige prognostiziert worden, in einer Kalkulation der Agentur McKinsey war von 500 000 die Rede gewesen. Von den real 207 000 angeblich Ausreisepflichtigen hätten viele schon lange eine Duldung, merkt Jelpke an. Viele könnten wegen Krankheit, Verfolgung oder ähnlichem überhaupt nicht abgeschoben werden. »Das, was die Bundesregierung hier mit großer Unseriosität betreibt, ist nichts anderes als ein Angriff auf die Menschenrechte.«
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